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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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gewesen, sie in die Schlosskathedrale zu begleiten, um mit ihr an der Eucharistiefeier teilzunehmen.
    Nachdem sie noch einen Moment dagesessen hatte, erhob sie sich, um ebenfalls die Kathedrale zu verlassen, aber Piet rührte sich nicht vom Fleck.
    »Kommst du, Piet?« Sein Blick war leer, schien seltsam entrückt. Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. »Was ist mit dir, Lieber?«
    »Das Mädchen …«, flüsterte er. »Wie sieht es aus?«
    »Welches Mädchen meinst du?«
    »Deine Tochter.«
    Cristins Mund wurde trocken. »Hast du etwa …?«
    »Ja.« Seine Stimme klang tonlos. »Da war dieses Mädchen, vielleicht ein Jahr alt.« Piet wischte sich über die Augen. »Welliges, helles Haar. Es hat im Schatten einer hohen Mauer gespielt.«
    Sie hielt seine Hände in den ihren, und es rauschte in ihren Ohren. »Oh, mein Gott. Du hast Elisabeth gesehen, Piet? Sag mir … erzähl, was hat sie getan?«
    »Das Mädchen hat im Schatten einer hohen Mauer gespielt«, wiederholte er. »Zusammen mit ein paar anderen Kindern. Dann kamen zwei Frauen. Sie waren dunkel gekleidet und brachten sie in ein Haus.«
    »Du bist dir wirklich sicher?« Cristins Gedanken überschlugen sich, und sie umklammerte seine Hände. »Elisabeth? Du hast meine Elisabeth gesehen, Bruder?«
    »Liebes, du tust mir weh«, protestierte er schwach.
    »Entschuldige.« Cristin ließ ihn los, ihre Knie waren wie Butter. »Wenn sie, wenn sie hinter hohen Mauern lebt, dann ist sie also nicht bei Mechthild und Lynhard?« Ihre Stimme versagte. Endlich eine Spur, selbst wenn sie nur vage war.
    »Ich denke nicht. Es ist aber nur so ein Gefühl.«
    Ja, sie verstand. Die Gewissheit, das Kind nicht bei dem Unhold zu wissen, schickte Wellen der Erleichterung durch ihren Körper. Sie sah ihren Bruder an, lächelte unter Tränen und küsste ihn stürmisch auf die Wange. »Gott schütze dich, du Spökenkieker! Wir werden sie finden, hörst du? Wir müssen sie finden.«
    Die folgende Nacht verbrachte Cristin schlaflos. Die Erregung darüber, Elisabeth vielleicht bald wieder in die Arme schließen zu können, hielt sie wach.
     
    An einem der nächsten Abende lud Piet Cristin zu einem Spaziergang in den von Feuerbecken erhellten königlichen Garten ein. Im Schein des Feuers konnte sie die ersten frischen Triebe von Frühlingsblumen ausmachen, die ihre noch zarten Hälse in die Abendluft reckten. Wie wunderschön musste dieser Garten in einigen Wochen sein, wenn sie alle erblühten! Doch dann werden wir nicht mehr auf dem Wawel weilen, um sie bewundern zu können, dachte Cristin mit einem Hauch von Bedauern. Piet steuerte auf sie zu und begrüßte sie mit einem Lächeln, aber sie kannte ihn inzwischen gut genug, um zu merken, wenn etwas nicht stimmte. Sein Gesicht war umwölkt, und das Haar stand ihm zu Berge, als hätte er es zerwühlt.
    »So sprich«, forderte sie ihn mit einem liebevollen Schubs auf. »Mach mir nichts vor, dich bedrückt doch etwas. Was ist los?«
    Piet blieb stehen.
    »Ich habe lange nachgedacht.« Er seufzte. »Ach, es ist so furchtbar schwer. Ich weiß nicht, wie …« Er brach ab, blieb stehen und sah zu Boden.
    Was quälte ihn nur? Cristin tastete nach seiner Hand.
    »Wenn ich … wenn ich euch wohlbehalten nach Lübeck zurückbegleitet habe, möchte ich …« Piet stockte. Alles in seinem Gesicht schien zu arbeiten.
    »Was möchtest du?« Cristin berührte seine Wange.
    Er drückte ihre Hand. »Ich möchte hierher zurückkehren, Cristin. Zu Marianka.«
    Wie Dolchstöße fuhren die Worte in ihr Herz. Einige tiefe Atemzüge, dann hatte sie sich wieder in der Gewalt. Mit den Händen umschloss sie sein Gesicht, und seine Augen waren so feucht wie ihre. »So sehr liebst du sie?«
    »Ja, Schwesterchen, das tue ich. Nie hätte ich geglaubt, ein Weib könnte mir mal so viel bedeuten. Ich weiß nicht, ob sie es mit mir aushält, ob ich überhaupt als Ehemann tauge …« Piet wiegte den Kopf. »Und ob ich alter Herumtreiber es schaffe, sesshaft zu werden?« Sein Grinsen war schief. »Aber ich kann nicht von ihr gehen, verstehst du?«
    Cristin verstand und betrachtete den Schimmer auf seinem Gesicht, während er von seiner Liebsten sprach. Für eine Antwort fehlte ihr jedoch die Kraft.
    »Sobald wir Elisabeth gefunden haben, sobald sie vor diesem … diesem Verbrecher in Sicherheit ist und du wieder frei bist, breche ich auf«, fuhr er fort, »zurück zu Marianka. Ich möchte sie heiraten, weißt du?« Energisch wischte er sich über die Wangen. »Konstanty

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