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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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der Anblick der Folterinstrumente anderen Sinnes werden …«
    »Ich habe eine bessere Idee, Fiskal«, unterbrach der Richteherr. »Wir lassen Bremers Eheweib holen. Vielleicht ist es klüger als er und sagt uns, ob ihr Gemahl zu dem Zeitpunkt, von dem der Zeuge spricht, in Polen gewesen ist.«
    Cristin horchte auf. Wie würde Mechthild auf die Anschuldigungen gegen ihren Gatten reagieren? Im Gerichtssaal wurde es still, die Spannung im Raum war beinahe mit den Händen greifbar. Lynhard sah stur geradeaus, doch sie merkte, wie es in ihm arbeitete. Bröckelte nun endlich seine hochnäsige Maske?
    Wieder verzögerte sich der Fortgang der Verhandlung, bis Mechthild erschien. Nach kurzem Zögern sagte sie aus, Lynhard habe tatsächlich eine Geschäftsreise unternommen, wohin, wisse sie allerdings nicht. Als Mechthild den Gerichtssaal verließ, nickte Cristin ihr dankbar zu. Vogt Büttenwart forderte die Schöffen ein weiteres Mal auf, sich zur Urteilsfindung zurückzuziehen. Baldo und Cristin hielten sich wortlos an den Händen.
    Diesmal kamen die Männer mit einem einstimmigen Beschluss in den Gerichtssaal zurück. »Aufgrund der Aussagen der beiden Polinnen und des Henkersohnes glauben wir, der Angeklagte ist des Mädchenhandels schuldig«, erklärte ihr Sprecher mit fester Stimme.
    Der Richteherr nickte. »Dem schließe ich mich an. Lynhard Bremer, ich verurteile Euch wegen mehrfachen Menschenraubes zu fünf Jahren Kerkerhaft. Büttel, legt den Angeklagten die Handfesseln an und bringt ihn hinüber in die Fronerei! Die Verhandlung ist hiermit beendet.«

31
     
    K önnen wir aufbrechen?«
    Cristin nickte. Sie ergriff Baldos Hand und kletterte auf den voll beladenen Wagen, den sie am Vortag, zusammen mit zwei dunkelbraunen Holsteiner Stuten, für zehn Goldgulden gekauft hatten. Bei ihrem Abschied von Mechthild hatte diese ihr einen prall gefüllten Geldbeutel gegeben. Cristin hatte zunächst ablehnen wollen, das Geld dann aber doch genommen. Sie sah es als kleine Wiedergutmachung für das an, was die Schwägerin ihr damals angetan hatte. Außerdem würden sie das Geld nötig haben. Sie sah sich um. Aus einigen Fenstern steckten Neugierige ihre Köpfe hinaus, um sich gleich darauf rasch wieder zu entfernen. Manche tuschelten miteinander und wiesen gar auf sie, andere nickten ihr mit einem feinen Lächeln zu oder winkten. Cristin erwiderte die Grüße hoch erhobenen Hauptes. Noch einmal ließ sie den Blick über die vertrauten Straßen und Häuserreihen schweifen. Hier kannte sie jeden Stein, jeden Baum. Und doch … nie wieder würde es für sie dieselbe Stadt sein können, in der sie eine unbeschwerte Kindheit verbracht hatte. Sie wandte sich ab. Elisabeth, die auf Baldos Schoß hockte, streckte die Ärmchen nach ihr aus, und Cristin nahm die Kleine in die Arme und zog sie an sich. Wie rasch sich das Kind in den letzten drei Wochen, die sie miteinander in Mechthilds Haus verbringen durften, an sie gewöhnt hatte. Beinahe so, als wären sie nie voneinander getrennt gewesen. Zärtlich küsste sie Elisabeth auf die Stirn. Als Baldo die Zügel locker ließ und sich die beiden kräftigen Pferde in Bewegung setzten, streckte Lump die dunkle Nase unter dem Kutschbock hervor und legte den Kopf schief.
    Er tätschelte ihn mit der freien Hand. »Ja, jetzt geht es gen Hamburg, mein Kleiner«, sagte er.
    Mein Kleiner. Cristin lächelte. Mit mehr als einer Elle Rückenhöhe reichte ihr der Hovawart inzwischen weit über die Knie.
     
    Cristin dachte an die vergangenen Wochen zurück, in denen so vieles geschehen war. Lynhard saß in einer Kerkerzelle in der Fronerei. Irgendwann würde Mechthild ihn dort besuchen, doch noch war sie nicht so weit, hatte sie ihr erst am vergangenen Abend gegenüber erwähnt. Cristin hatte einen Tag nach der Verhandlung gegen Lynhard zu einem zweiten Prozess erscheinen müssen, aber diesmal waren die Schöffen zu einem anderen Urteil gekommen als damals.
    »Unschuldig, aus Mangel an Beweisen«, hatte ihr Sprecher verkündet, und der Richteherr schloss sich ihnen an.
    Sie erinnerte sich an jenen Moment, als Büttenwart ihr erklärte, sie könne nun gehen. Stumm hatte sie ihn angesehen, bewegungslos, lauschend.
    »Ihr seid frei, Frau Bremer.« Wie wundervoll und zugleich unfassbar diese Worte in ihren Ohren geklungen hatten. Sie wusste nicht mehr, wie lange sie reglos vor dem Richteherr gestanden hatte, doch als sie mit Baldo den Gerichtssaal verließ, hatte die Luft den Duft von Frühlingsblumen mit

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