Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)
gerade mich dieser Untat zu beschuldigen. Es muss sich um ein Missverständnis handeln.«
»Es gibt die Aussage eines Lübecker Bürgers und Kaufmannes, der Euch belastet hat …«
»Ich weiß, der Salzhändler«, unterbrach ihn Lynhard. »Wie ich inzwischen gehört habe, war der Mann schon nicht mehr ganz bei sich, als er mich beschuldigte.«
Büttenwarts Miene verdüsterte sich. »Der Schlag hatte ihn getroffen, aber das bedeutet nicht, dass der Mann nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen war. Außerdem war Eure Schwägerin zugegen, als Lüttke Euren Namen nannte, genau wie diese beiden Frauen dort.« Er zeigte auf Karolina und Paulina.
Lynhard drehte den Kopf, und seine Augen wurden so schmal wie seine Lippen. »Wer weiß, womit diese Hexe ihn dazu gebracht hat! Schließlich habt Ihr sie bereits für den Mord an meinem Bruder zum Tode verurteilt. Ich verstehe wahrlich nicht, warum diesem Weib jetzt mehr geglaubt wird als mir, einem rechtschaffenen Lübecker Bürger …«
»Oh ja, und wie rechtschaffen du bist!« Cristin zuckte zusammen, als Baldo plötzlich neben ihr aufsprang. »Junge Frauen, halbe Kinder noch, aus fremden Ländern zu entführen und in Frauenhäusern und üblen Spelunken als Hübschlerinnen arbeiten zu lassen – wenn das rechtschaffen ist, dann bin ich es erst recht!« Baldos Miene spiegelte deutlich die Abscheu wider, die er Lynhard gegenüber empfand. »Auch wenn man vor meinesgleichen die Augen niederschlägt, weil man uns verachtet und glaubt, wir würden Unglück …«
»Setz dich sofort hin und schweig! Ich dulde nicht, dass hier derartige Reden geschwungen werden und die Würde des Gerichts missachtet wird.«
Baldo tat, wie ihm geheißen. »Das liegt mir fern, Richteherr. Es fällt mir nur schwer, mit anzuhören, wie der Kerl da vorn die Ehre dieser Frau beschmutzt! Außerdem habe ich hier …« Baldo griff in seinen Beutel.
Da fuhr der Richteherr ihn an: »Du sollst schweigen, sonst lasse ich dich aus dem Saal führen.«
Cristin versetzte Baldo einen Stoß in die Seite und bedeutete ihm, still zu sein.
Der Fiskal, dessen Aufmerksamkeit bislang dem Angeklagten gegolten hatte, richtete sich nun an Baldo. »Du bist der Sohn des Henkers Emmerik Schimpf, nicht wahr?«
Ein Raunen ging durch die Menge.
»Ja, der bin ich.«
»Dann hast du dich der Beihilfe zur Flucht einer Verbrecherin schuldig gemacht und müsstest dich dafür verantworten.«
Baldo öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch Mangel brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.
Der Fiskal machte einige Schritte auf Lynhard zu. »Nun zu Euch, Bremer. Trotz der Anschuldigungen des Salzhändlers Hilmar Lüttke leugnet Ihr nach wie vor, Euren Bruder umgebracht zu haben?«
»Ich würde es gern aus seinem Munde hören!«
»Das ist leider nicht mehr möglich. Lüttke hat vor drei Tagen das Zeitliche gesegnet. Vermutlich habt Ihr auch das inzwischen gehört.«
Wieder ging ein Raunen durch die Menge. Einige drehten sich zu der Frau des Salzhändlers um, die in einer der vorderen Reihen saß und der Verhandlung mit bleichem Gesicht folgte. Ihr Leben muss einem Scherbenhaufen gleichen, dachte Cristin, während Mangel zu seinem Platz hinter dem Richtertisch zurückkehrte.
Vogt Büttenwart beugte sich vor. »Frau Lüttke, könnt Ihr etwas zur Wahrheitsfindung beitragen?«, wollte er wissen. »Habt Ihr zu irgendeinem Zeitpunkt etwas davon mitbekommen, was Euer Mann treibt?«
Die Angesprochene schüttelte den Kopf. »Mein Mann hat mit mir nicht über seine … Geschäfte gesprochen.«
»Dann gibt es also niemanden, der mich beschuldigen kann?« Lynhards Stimme nahm einen lauernden Unterton an. »Das Wort einer verurteilten Mörderin, die sich ihrer Strafe mit Hilfe dieses«, er wies mit einer Kopfbewegung auf Baldo, »Kerls dort entzogen hat, steht also wirklich gegen das eines ehrbaren Bürgers?«
Entsetzt sah Cristin mit an, wie Vogt Büttenwart in einer hilflosen Geste die Achseln zuckte, den unversehrten Arm hob und die Büttel heranwinkte. »Ich vertage diese Verhandlung. Bringt den Angeklagten zurück in seine Zelle.«
»Wartet!« Mit drei Schritten war sie am Richtertisch. »Richteherr, darf ich eine weitere Aussage machen?«
»Selbstverständlich, sprecht!«
»Mein Schwager hat eine Liebschaft mit Mirke Pöhlmann, vielleicht kann sie etwas zur Wahrheitsfindung beitragen.«
Büttenwarts Blick heftete sich auf Lynhard. »Ist das wahr, Angeklagter?«
Im Saal entstand Unruhe.
Lynhard schoss von seinem Stuhl
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