Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)
eingelegten Heringen, geräucherter Makrele, Wintergemüse und gutem Weißbrot – ebenso gütlich wie die feine Gesellschaft. Vogt Büttenwart lobte mit vollem Munde den guten Met, und Hilmar Lüttke, ein Freund Lynhards, plauderte angeregt mit Lukas, wobei der Mann mit dem Blutmal auf der hohen Stirn den jungen Frauen begehrliche Blicke zuwarf.
Lukas lächelte seine Frau leicht über den Tisch hinweg an. »Mirke, schenk mir nach«, forderte er die junge Lohnarbeiterin auf und hob das hohe, mit schneckenhausförmigen Nuppen verzierte Trinkglas. Vor einigen Tagen erst hatte Cristin ein halbes Dutzend davon erstanden. »Auf unsere Goldspinnerei. Und auf die beste Ehefrau von ganz Lübeck!«
Nach dem Essen gab Cristin dem Gesellen ein Zeichen. Zusammen mit dem Spielmann schoben Johannes, wie sie es vorhin mit ihm verabredet hatte, Tisch und Stühle beiseite, sodass in der Mitte des Raumes eine freie Fläche entstand. Sie nickte dem Musikanten zu, der sofort seine Holzflöte an die Lippen setzte. Als er eine Melodie zu spielen begann, griff Cristin nach Lukas’ Hand. »Liebling, ich möchte tanzen. Machst du mir die Freude?«
Mit einem Lächeln verbeugte er sich. »Es wird mir ein Vergnügen sein, Frau Bremer.«
Schon nach wenigen Schritten auf der Tanzfläche folgten weitere Männer und Frauen dem Beispiel ihrer Gastgeber und bewegten sich zu der fröhlichen Weise, die der Schalmeyspieler seinem Instrument entlockte.
Es war schon spät, als sich die letzten Gäste wortreich verabschiedeten. In weiser Voraussicht hatte Lukas angeordnet, dass die Spinnerei am folgenden Tag geschlossen bleiben sollte. Cristin beobachtete, wie ihr Gatte die leicht schwankenden Männer hinausbegleitete. Der Abend war eine wunderbare Abwechslung gewesen, doch nun war sie froh um die Stille, die sich im Haus ausbreitete und nur vom Klappern des Geschirrs unterbrochen wurde, das Minna bereits abwusch. Sie ging in die Küche, um der alten Lohnarbeiterin zu helfen. Lukas kehrte zurück. »Ich setze mich noch ein wenig in die Stube«, erklärte er.
Regen prasselte gegen das Fenster, und von ferne drang das erste Krähen eines Hahnes an ihr Ohr. Cristin legte den Arm um die Taille ihres schlafenden Mannes. In der Kammer waren nur die tiefen Atemzüge ihrer kleinen Familie zu hören. Sie drückte sich enger an Lukas heran, wollte noch ein kleines Weilchen seine Wärme genießen, bevor sie aufstand. Sanft streichelte sie seinen flachen Bauch, und er stöhnte leise, ohne jedoch wach zu werden. Sie lächelte in sich hinein und fuhr mit der Reise über seine Haut fort. Wie sie ihren Gatten kannte, war ihm der Wein nicht gut bekommen. Plötzlich zog er seine Beine an. Nur einen Wimpernschlag später erhob er sich schlagartig und verließ die Kammer. Sie sah ihm verblüfft hinterher. Elisabeth räkelte sich in ihrem Bettchen, bald würde sie nach der Brust ihrer Mutter verlangen.
Cristin lauschte dem stetig fallenden Regen. Als Lukas die Kammer betrat, hob sie wortlos die Decke an. »Was gibt es, mein Lieber?«
»Schon gut«, flüsterte er, legte sich wieder nieder und drehte sich auf die Seite.
Sie betrachtete seinen Rücken, seine vom Schlaf zerzausten Haare. Elisabeths Jammern wurde drängender. »Guten Morgen, meine Kleine«, wisperte sie und nahm das Kind hoch.
Lukas fluchte.
»Ist dir nicht wohl?« Cristin hob ihr Nachtgewand, Elisabeths Lippen fanden die Brustwarzen und begann zu saugen.
»Mir ist übel«, erwiderte Lukas und presste eine Hand auf den Bauch. »Ich glaube, es ist der Wein.« Er krümmte sich, Schweißperlen standen ihm auf der Stirn.
»Einen Moment, Liebling. Wenn Elisabeth satt ist, mache ich dir einen Kräuteraufguss. Das wird dir helfen.«
Lukas nickte und schloss die Lider.
Mit einer Hand zog sie ihm die Decke höher, denn das Feuer im Kamin gab kaum noch Wärme ab. Elisabeth protestierte, als sie der Kleinen die andere Brust bot. Ihr Mann war eingeschlafen. Sie wunderte sich, denn Lukas war sonst nicht zu bewegen, im Bett zu bleiben, wenn ihm nicht wohl war. Dem Kind fielen die Augen zu, seine kleinen Finger lagen noch an der Brust. Cristin erhob sich und legte Elisabeth in ihr Bettchen zurück, dann entzündete sie ein neues Feuer im Kamin und wartete, bis helle Flammen emporzüngelten. Schließlich verließ sie die Kammer, stieg die Treppen hinab und wendete sich der Küche zu.
Lukas hatte sich neben der Schlafstatt erbrochen. Aus trüben Augen sah er sie wie um Verzeihung bittend an. »Es
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