Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)
zu arbeiten hat.«
»Du bist aber kein Bauernweib, sondern die Gemahlin eines Kaufmannes, der sich durchaus eine Amme leisten könnte.«
»Nein. Ich möchte Elisabeth selbst versorgen.« Cristin wiegte das schläfrige Kind im Arm.
Lukas hob die Brauen. »Ich verstehe. Gut, es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, wenn wir rechtzeitig fertig werden wollen. Niemand weiß so wundervoll zu sticken wie du. Aber die Erlaubnis gilt nur für diesen einen Auftrag. Und nur morgens, während meine Tochter schläft.« Zärtlich fuhr er mit der Hand über ihre Wange.
»Ja. Sobald der Hochzeitsstaat auf dem Weg zu den Büttenwarts ist, werde ich, wie es sich für eine Kaufmannsfrau geziemt, den Tag mit Müßiggang verbringen.«
Lukas’ herzhaftes Lachen wärmte ihr Herz. »Der Tag muss wohl erst anbrechen, an dem ich dir das glaube, mein Lieb.«
Am folgenden Morgen, als Elisabeth satt und zufrieden war, ließ Cristin Johannes das Kinderbettchen in die Werkstatt bringen und neben ihrem Stickrahmen aufstellen. Die stetig wiederkehrenden Geräusche und die leisen Gespräche sorgten dafür, dass die Kleine bald einschlief. Lächelnd betrachtete Cristin den kleinen Daumen, der in Elisabeths Mund gewandert war, und ihre vom Schlaf geröteten Wangen. Sie schaute zu ihren Lohnarbeitern hinüber, die allesamt in ihre Arbeit vertieft waren. Ihr wurde warm ums Herz, als Minna ihren Blick bemerkte und ihn verständnisvoll erwiderte. Nach ihrem längeren Krankenlager war Cristin froh, endlich wieder ihrem Tagewerk nachgehen zu können – wenn auch nur für einige Stunden täglich. Sie entnahm einem Regal einen Ärmel des Hochzeitsgewandes, den Minna aus feinem, safrangelb gefärbtem Leinen gewebt hatte, und spannte ihn auf den Stickrahmen. Mirke reichte ihr ein Stück Pergamentpapier. »Danke, Mirke. Ihr kommt voran?«
»Gewiss, Frau Bremer. Auch die Wolle aus England für den Altarbehang der Marienkirche und für die palla , die zum Abdecken des Kelches gebraucht wird, ist vorhin eingetroffen. Johannes packt sie schon aus.«
»Schön, Mirke. Dann kann ich mich ja ganz in Ruhe den Stickereien widmen, oder?« Cristin strich andächtig über den weichen Stoff der Webarbeit, während die junge Lohnarbeiterin an ihren Platz zurückkehrte.
Aufmerksam betrachtete sie das halb fertige Stück genauer. Einen Moment schwankte sie, wie sie die Blattornamente vorgezeichnet bekommen sollte. Wenn sie das Pergamentpapier auf den Stoff legte und mit dem Vorstecher arbeitete, könnte sie das Motiv mithilfe der etwas größeren Löcher andeuten. Oder sie schüttete vorsichtig eine Mischung aus Asche und Mehl über das gelöcherte Papier, um es nach getaner Arbeit wieder zu entfernen. Am Ende entschied sie sich gegen diese Möglichkeit, denn es erschien ihr wie ein Frevel, den schönen Stoff mit der Aschemischung zu beschmutzen. Auch wenn das albern war, denn später würde niemand mehr etwas von der Asche erkennen können.
13
D er Blick aus dem Fenster sagte ihr, dass der Frühling bereits in der Luft lag. An diesem Tag begann die Karwoche, auch wenn es noch vereinzelt schneite und der Frost des Nachts die Bäume und Sträucher in einen weiß glitzernden Mantel hüllte.
Der Richteherr war von den prächtigen Stickereien sehr angetan gewesen und hatte dem Geschäft eine stattliche Anzahl neuer Kunden verschafft. Als es sich herumgesprochen hatte, dass auch die neue Altardecke von St. Marien von den Bremers angefertigt worden war, konnten sie sich neuer Aufträge kaum erwehren.
Elisabeth war gerade eingeschlafen, und Cristin richtete das Abendessen, als Lukas die Tür schwungvoll aufriss. Unter dem Arm trug er zwei große, verschnürte Pakete.
»Du bist schwer beladen. Was hast du da?«, fragte Cristin neugierig.
Er legte seine Fracht auf dem Boden ab und grinste. »Hier riecht es ja wunderbar!«, rief er aus, beugte sich über die Kochstelle und streckte die Hand aus.
»Nehmt Eure Finger von den Töpfen, mein Herr und Gebieter«, erwiderte sie lächelnd und gab ihm einen innigen Kuss.
Er wirbelte sie herum, ohne auf den Holzlöffel in ihrer Hand zu achten. »Das, mein Liebchen, ist für dich.«
Cristins Augen weiteten sich. »Für mich? Ich habe doch alles, was ich brauche.«
»Du wirst schon sehen! Pack es aus.«
Das ließ Cristin sich nicht zweimal sagen. Sie legte den Löffel beiseite, wischte sich die Hände mit einem Leinentuch ab und machte sich an den Schnüren zu schaffen. »Lukas! Das ist wunderschön!«, entfuhr es ihr,
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