Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)
ging so schnell, ich …«
Sie strich ihm das verschwitzte Haar aus der Stirn. »Ich mache das gleich weg. Keine Sorge, bald wird es dir besser gehen.« Mit sanfter Gewalt drückte sie ihn zurück aufs Bett. Aus einem Schrank holte sie ein Leinentuch, tauchte es in eine mit frischem Wasser gefüllte Waschschüssel und säuberte sein Gesicht. »Ich werde wohl zukünftig besser auf dich achten müssen, oder?«
Lukas zog nur eine Grimasse. Das Rumoren in seinem Inneren war nicht nur deutlich zu hören, sondern auch zu fühlen. Sie gab ihm schlückchenweise von dem zubereiteten Kamillenaufguss zu trinken. Er war noch nie ernstlich krank gewesen, sicher würde es ihm morgen wieder besser gehen. Elisabeth wurde unruhig, und sie fuhr sich immer wieder mit den Händen über die brennenden Augen. Nachdem Cristin den Boden geschrubbt hatte, wandte sie ihre Aufmerksamkeit dem quengeligen Kind in seinem Bettchen zu.
14
C ristin war der Verzweiflung nah. Die Sonne hatte längst ihren höchsten Punkt überschritten, doch ausgerechnet heute schien Elisabeth beschlossen zu haben, wach und unleidlich zu sein. Das Kind schrie zum Gotterbarmen, während Lukas weiterhin von Brechdurchfällen gequält wurde. Zwischendurch übermannte ihn immer wieder der Schlaf, sodass Cristin die kurzen Pausen nutzte, um ein wenig Ordnung zu schaffen. Dazwischen wanderte sie mit ihrer Tochter auf dem Arm in der Kammer auf und ab. Elisabeths Geschrei ging ihr durch Mark und Bein, und der Geruch von Erbrochenem hing gleich einer sauren Wolke in der Luft.
Eine Tür wurde zugeschlagen. Cristin horchte auf und ging dem Geräusch von schleppenden Schritten nach. »Minna, dich schickt der Himmel!«, entfuhr es ihr, als sie die Lohnarbeiterin erblickte.
»Gott zum Gruße, Frau Bremer. Ich dachte, ich könnte vielleicht beim Aufräumen helfen? Hab nichts weiter vor.« Die Ältere riss die Augen auf. »Aber was ist denn los, Deern? Ihr seid ja …«
Cristin senkte beschämt die Lider. Sie war noch immer in ihrem Nachtgewand, das Haar ungebürstet. Bestimmt bot sie ein liederliches Bild. »Mein Mann ist krank, Minna. Und Elisabeth …« In knappen Sätzen berichtete Cristin ihr, was vorgefallen war.
»Ganz ruhig, Frau Bremer«, unterbrach Minna ihren Redefluss. »Ihr geht Euch jetzt erst mal ankleiden.« Sie streckte die kräftigen Arme aus. »Gebt mir mal das Kind.«
Als Cristin einige Zeit später im Zählraum erschien, wohin Minna sich mit dem Kind zurückgezogen hatte, fühlte sie sich besser. Endlich hatte sie den Geruch von Exkrementen und Erbrochenem abwaschen können, der an ihr zu haften schien.
Doch die Ruhepause währte nur kurz. Lukas’ Zustand verschlechterte sich zusehends, und Cristin hatte alle Hände voll zu tun, um ihm den Kopf zu halten oder beim Waschen zu helfen. Nach allem, was sie wusste, müsste sein Unwohlsein allmählich verebben, wenn der Wein schuld an seiner Krankheit sein sollte. Essen lehnte er ab, selbst die wenigen Schlucke aus dem Becher bekam er nur mit Mühe hinunter. Minna hatte ihr mitgeteilt, dass weder Mirke noch Johannes an ähnlichen Symptomen litten, also konnte das üppige Mahl der letzten Nacht nicht die Ursache seines Zustandes sein. Nachdem Lukas eingenickt war, erhob sie sich und ging in den Wohnraum, in dem ihre Lohnarbeiter dabei waren, die letzten Spuren des Gelages fortzuräumen.
»Holt den Medicus, bitte«, sagte sie nur.
Als es auf den Abend zuging, ließen die Brechdurchfälle allmählich nach. Medicus Küppers klopfte seinem Patienten auf die Schultern und lächelte anzüglich. »Wie ich gehört habe, habt Ihr ein rauschendes Fest gefeiert. Ich bedaure, dass ich nicht der Einladung folgen konnte, Herr Bremer. Immer, wenn man glaubt, das Tagewerk wäre beendet, kommt etwas dazwischen.« Küppers hielt ein Gefäß mit Urin ins Licht, roch daran und tunkte einen Finger hinein, um ihn dann abzulecken. Mit der anderen Hand kämmte er sich mit gespreizten Fingern die spärlichen Haare zurück. »Wie ich es vermutet habe, Herr Bremer. Nichts Ernstes. Morgen werdet Ihr wieder frisch und munter sein.«
Cristin, die neben Lukas am Bett stand, ließ sich auf einen Schemel sinken.
»Danke«, erwiderte Lukas. Obwohl er geschwächt war, kehrte der Glanz langsam in seine Augen zurück.
»Die nächsten beiden Tage werdet Ihr noch daheimbleiben und Euch von Eurem Weibe pflegen lassen, damit Ihr wieder zu Kräften kommt«, ergänzte der Medicus, während er sich seinen Umhang überwarf. »Ich lasse Euch
Weitere Kostenlose Bücher