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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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zu Hans hinüber, der die Finger an seiner erdverkrusteten Hose abwischte und sich dabei immer wieder verstohlen nach allen Seiten umschaute.
    »Da kommt jemand!« Hans wies mit ausgestreckten Arm auf eine Gestalt, die am Anfang des Hügels auftauchte.
    »Verflucht«, brummte Baldo. »Kannst du aufstehen?
    Cristin schüttelte den Kopf.
    Er brummte etwas Unverständliches und hob sie auf seinen Arm. »Hans, wir sind dort hinten an der halb verfallenen Scheune, wo der Wald angrenzt. Beschaff uns etwas zum Anziehen. Ich warte dort auf dich. Schnell.« Baldo legte eine Hand auf die Schulter seines Freundes. »Und danke.« Ohne auf eine Antwort zu warten, lief er los, so schnell er es mit seiner Fracht vermochte, und sah sich um. Es war eindeutig ein Mann, der auf sie zuzukommen schien. Baldos Füße berührten kaum den Boden, dennoch glaubte er, kaum von der Stelle zu kommen. Einmal wäre er beinahe über einen halbhohen Busch gestolpert, den er in der zunehmenden Dunkelheit nicht gesehen hatte. Die Frau war leicht, dennoch brach ihm erneut der Schweiß aus allen Poren. Er fühlte ihre fragenden Augen auf sich gerichtet, während er mit weit ausholenden Schritten auf die Scheune zusteuerte. Doch der stürmische Wind erschwerte seine Flucht, seine Beine wurden schwer, was den Abstieg noch anstrengender gestaltete. Die Finger spürte er kaum noch, und Cristins Kopf sank zur Seite. Als die Scheune in sein Sichtfeld kam, wäre er vor Erleichterung am liebsten zu Boden gesunken. Kurze Zeit später hatte er sie erreicht und ließ sich und die junge Frau ins Gras fallen. Baldo lehnte seinen Kopf gegen die Bretterwand und schloss die Augen, während er auf das verräterische Rascheln des Grases oder sich nähernder Schritte lauschte, aber außer dem Rauschen des Windes in den Bäumen war nichts Auffälliges zu hören.
    Ihre Ohnmacht hielt an, und als er wieder zu Atem kam, betrachtete er sie eingehender. Bedauern stieg in ihm hoch beim Anblick ihres geschorenen Schädels. Hier und da leuchteten rotblonde Haarstoppeln auf ihrer Kopfhaut und ließen erahnen, wie hübsch sie vorher gewesen sein musste. Trotz des Schmutzes waren ihre feinen Züge gut zu erkennen. Sie wirkte zerbrechlich und schwach, trotzdem hatte sie nicht um Gnade gewinselt wie die meisten anderen Verurteilten, denen er bisher begegnet war. Er wusste nicht einmal, wo er sie hinbringen konnte, geschweige denn, wo sie beide bleiben sollten. Denn eins stand fest: Nach Hause zurück konnte er nicht mehr. Vielleicht nie mehr. Baldo horchte in sich hinein. Es war niemand da, den er vermissen würde, wurde ihm auf einmal bewusst. Außer Hans vermutlich. Eine Idee schoss ihm blitzartig durch den Kopf, er war wieder hellwach, und ein dünnes Lächeln umspielte seinen Mund.

25
     
    D as Gefühl ihrer am Gaumen klebenden Zunge war das Erste, was Cristin wahrnahm. Und der kräftige Wind, der über ihren Körper strich und ihr eine feine Gänsehaut verursachte. Ihr Kopf fühlte sich an wie in Watte gehüllt, Schwindel erfasste sie, dann kam die Erinnerung schlagartig zurück. Sie wimmerte, wollte sich gegen die in ihr aufsteigenden Empfindungen wehren. Es gelang ihr nicht. Lebendig begraben. Keine Luft. Das Schlängeln von Würmern auf meiner Haut. Da tauchte auf einmal das Bild eines jungen Mannes mit ernstem Gesicht vor ihrem inneren Auge auf. Er rief ihren Namen, immer wieder. Ein zweiter hatte daneben gestanden. War dies alles nur ein Traum gewesen? Als etwas Raues über ihre Wange strich, fuhr Cristin zusammen und öffnete die Lider. Ihr Rücken schmerzte von den Steinen, die sich in ihre Haut gebohrt hatten.
    »Geht es dir gut?«
    Sie wich zurück, das Herz schlug ihr bis zum Hals. Dann jedoch, als die Nebel der Bewusstlosigkeit sich langsam lichteten, erkannte sie ihn. Das war der Mann, den sie gesehen und dessen Stimme sie gehört hatte. Sie nickte nur und starrte in das schmale Gesicht, aus dem sie zwei dunkle Augen forschend musterten. Sie suchte nach einer Möglichkeit zu entkommen, doch sie wusste nicht einmal, wo sie sich befand. Sie lag auf feuchtem Gras, hinter ihr ein windschiefer Schuppen, vor ihr ragten die Schatten der Bäume eines an das Grundstück angrenzenden Waldes auf.
    »Ich bin Baldo«, unterbrach der junge Mann ihre Gedanken. Er mochte ungefähr in ihrem Alter sein.
    »Was willst du von mir?«
    Er hob beschwichtigend die Hand, als sie sich gegen die Bretterwand drückte. »Ich will dir nichts tun. Sei ohne Sorge.«
    »Wo … sind wir?«
    »Auf der

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