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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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Flucht. Sei leise, man darf uns nicht entdecken.«
    Ihre Verwirrung wuchs. Sie hatte so viele Fragen, aber nur die eine kam ihr über die Lippen. »Hast du … hast du mich gerettet?«
    Ruhig hielt er ihrem Blick stand. »Ja.«
    Sie schluckte. »Warum hast du das getan?«
    »Weil ich glaube, dass du unschuldig bist!«
    Für einen Moment wurde es still zwischen ihnen. Cristin strich über den zerrissenen Ausschnitt ihres Kleides und versuchte vergeblich, ihre Blöße zu bedecken. »Das ist wahr«, flüsterte sie, und ihre Augen wurden feucht. »Was geschieht jetzt?«
    Er blickte an ihr vorbei. Der Vollmond kämpfte sich durch die dichte Wolkendecke und warf seine hellen Strahlen auf die Wipfel der Bäume. »Wir müssen von hier verschwinden. So schnell wie möglich, bevor …«
    »Bevor was?«
    »Bevor mein Vater uns findet«, antwortete er nach kurzem Zögern.
    »Wieso?«
    Der junge Mann packte sie so grob an den Schultern, dass sie unwillkürlich aufschrie. Sein Gesicht schien wie in Stein gemeißelt. »Weil mein Vater derjenige ist, der dich dort hinten begraben hat. Er ist der Henker von Lübeck.«
    Sie hielt die Hände vor den Mund, ein erstickter Laut formte sich in ihrer Kehle. »Mein Gott.«
    »Lass Gott aus dem Spiel, Mädchen. Der will nichts von uns wissen.« Er lachte heiser.
    Cristin zuckte unter dem Klang seiner Stimme zusammen. Wenn sie könnte, würde sie sich aus dem Staub machen. Fort von den Albträumen der letzten Zeit, fort von diesem zwielichtigen Kerl vor ihr, an dessen Fingern – genau wie an denen seines Vaters – das Blut Verurteilter klebte.
    »Mein Freund kommt gleich. Er wird uns neue Kleider bringen.«
    Sie antwortete nicht, denn ihr Kopf schwirrte. Aus dem Wäldchen drang der Ruf eines Käuzchens zu ihr herüber. Der Wind heulte, und die Äste der Bäume beugten sich unter seiner Macht. »Ich muss mal …«, flüsterte sie und stand unsicher auf.
    »Ähm … ja natürlich.« Baldo kratzte sich am Kinn und deutete hinter sich. »Am besten hier, auf der anderen Seite des Schuppens. Da sieht dich niemand.«
    Während sie sich erleichterte, wanderten ihre Gedanken zu dem merkwürdigen Gesellen zurück, der sie gerettet hatte. Abscheu wallte in ihr auf, als sie überlegte, was dieser Mann schon alles für Grausamkeiten gesehen und begangen haben musste. Und sein Vater erst! Ob ihr Retter auch damals, beim Rädern des Kirchendiebes auf dem Köpfelberg, anwesend gewesen war? Sie konnte sich nicht erinnern. Was wollte dieser Baldo mit ihr, der verurteilten Mörderin und Hexe? Welches Interesse sollte dieser Mann daran haben, sie zu retten und sich dabei großer Gefahr auszusetzen? Alles in ihr sträubte sich dagegen, diese beunruhigenden Gedanken weiterzuspinnen. Sie lebte – das allein war Wunder genug. Cristins Magen rebellierte, und der Durst wurde unerträglich. Sie lehnte sich gegen die raue Schuppenwand.
    Da. Stimmen. Ihr Puls beschleunigte sich, und mit angehaltenem Atem spähte sie um die Ecke. Er flüsterte mit einem anderen Mann, der ein Bündel vor ihm ablegte. Die beiden sprachen zu leise, um etwas verstehen zu können, doch als sie sah, wie der blonde Mann Baldo auf die Schultern klopfte und etwas murmelte, um dann wieder in der Dunkelheit zu verschwinden, war sie erleichtert.
    »Bist du fertig?«
    Sie atmete tief durch. »Ich komm ja schon.«
    Cristin trat um die Ecke – und prallte mit einem dunklen Etwas zusammen, das ihr fast bis zu den Knien reichte und sofort winselnde Laute von sich gab. Ein Hund!
    »Woher kommt … ich meine, wie hast du …«
    »Das ist meiner.« Baldo schnaubte. »Mein Vater wollte, dass ich ihn totschlage.« Sie sah ihn im Halbdunkel mit den Schultern zucken. »Hab nicht eingesehen, warum. Brauchst aber keine Angst vor ihm zu haben.«
    Cristin streckte dem Tier eine Hand entgegen, damit es daran schnuppern konnte, während es sie aus kleinen braunen Knopfaugen anschaute. »Ich habe keine Angst. Nicht vor ihm.«
    »Vor mir brauchst du dich auch nicht zu fürchten«, erwiderte Baldo. Er griff nach dem Bündel auf dem Boden und reichte es ihr. »Das sind ein paar Sachen von Hans’ Schwester. Müssten dir eigentlich passen.«
    Hans also hieß der andere Mann. Schnell schlüpfte sie im Schatten des Schuppens in das Kleid. Dann wandte sie sich um und blickte über das abgeerntete Feld zurück auf die in der Ferne liegende Silhouette der Stadt. In helles Mondlicht getaucht, waren die Türme der Lübecker Kirchen deutlich zu erkennen.
    »Komm jetzt!« Baldo

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