Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)
einer niedrigen Kate.
»Dies ist meine Hütte«, beantwortete Ludewig Stienberg ihre unausgesprochene Frage, während er die beiden Esel an einem Baum ganz in der Nähe anband. »Hier übernachte ich, wenn ich unterwegs bin. Hab sie einem Bauern abgekauft.«
Cristin war nicht wohl zumute. Zahlreiche unheimliche Gerüchte rankten sich um all die Wesen, die in der Dunkelheit lauerten, und ihr Herz schlug viel zu schnell. Der Bader stieß die Tür auf und bat sie einzutreten. Es roch muffig, und der Duft unbekannter Kräuter hing in der Luft. Ludewig griff nach zwei Talglampen, die auf einer der Fensterbänke standen, entzündete sie mithilfe eines Feuersteins und eines Stückes Eisen. Staunend sah sie sich in dem winzigen Raum um. An den Wänden der niedrigen Lehmhütte waren Regale befestigt, auf denen allerlei Tiegel und Behälter standen. Links und rechts lagen Strohsäcke auf dem Boden, und in der Mitte des Raumes standen ein Tisch sowie zwei Stühle.
»Wir müssen den Verletzten reinbringen. Kannst du mir dabei helfen?«, fragte der Bader.
Sie nickte, zweifelte jedoch, ob ihre Kraft reichen würde. Der Hund, den sie absetzte, verkroch sich sofort in eine Ecke, und trotz seiner Erschöpfung verfolgte er das Geschehen aufmerksam. Nachdem sie die Bündel des Baders in die Hütte gebracht hatten, trugen sie Baldo gemeinsam hinein. Er stöhnte mit geschlossenen Augen, als sie ihn auf einen der Strohsäcke legten. Wortlos hielt Ludewig ihr einen Wassersack hin, während sie sich auf einen Stuhl setzte. Cristins Hände zitterten, und er musste ihr behilflich sein, um den Korken entfernen zu können.
»Ich habe mehr, trink ruhig ordentlich!«
Das Wasser war kühl und erfrischend. Nur mit Mühe konnte sie ein genießerisches Seufzen unterdrücken. »Vielen Dank«, murmelte sie und freute sich über das Gefühl der durch ihre Kehle rinnenden Flüssigkeit.
»Wie lange habt ihr beiden nichts mehr getrunken?«
In einer Geste der Hilflosigkeit hob sie die Schultern. »Gestern, gestern haben wir das letzte Mal getrunken.«
»Herrje noch mal«, polterte der Bader los, sodass sie zusammenfuhr. »Wart ihr etwa so dumm, nicht genügend Wasser auf die Reise mitzunehmen?« Kopfschüttelnd drehte er ihr den Rücken zu und hockte sich neben Baldo. Einem Weidenkorb entnahm er ein sauberes Leinentuch, befeuchtete es mit Wasser und hielt es dem Verletzten an die Lippen.
Sie nahm alles nur noch wie aus Nebeln wahr. Ludewigs Stimme erschien ihr plötzlich weit entfernt, die Geräusche in der Hütte verstummten, und ihre Lider wurden schwer. Sie wollte noch etwas sagen, doch ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr, und ihr Kopf sackte auf die Brust. Cristin bekam nicht mehr mit, wie der Bader sie vom Stuhl hob und auf das zweite Bett niederlegte.
2
E in gequältes Geräusch weckte Cristin, und alarmiert fuhr sie hoch, um sogleich auf ihr Lager zurückzusinken. Sie presste die Hand gegen die pochende Schläfe. Baldo. Er wird wach. Ein tiefer Atemzug, dann setzte sie sich erneut auf. Ich muss mich um ihn kümmern, er wird Schmerzen haben. In diesem Moment erinnerte sie sich wieder. Sie befanden sich nicht im Wald, sondern in des Baders Kate. Jetzt erkannte sie den spärlich eingerichteten Raum und zwang ihre Augen, die im Halbdunkel liegende Umgebung wahrzunehmen. Lehmwände, Regale und ein Mann, der leise Selbstgespräche führte. Ludewigs massiger Rücken versperrte ihr die Sicht auf den Verletzten. Der Bader hantierte mit ruhigen Griffen, was er jedoch tat, konnte sie nicht ausmachen. In der Kate roch es übelkeiterregend nach Schweiß, Blut und Krankheit. Ihr Magen rebellierte, und sie tastete nach dem Kopftuch, das sich zu lösen begann, um es fester zu binden.
»Wie geht es ihm?«
Der Bader wendete den Kopf und sah sie unter buschigen Augenbrauen prüfend an. »Oh, du bist wach.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, du bleibst liegen, Weib!«
Gehorsam legte sie sich zurück. »Sagt mir, wie es ihm geht, bitte.«
Nur wenige Schritte, dann stand er neben ihr. Sein Blick war ernst. »Er wird langsam wach. Die üblen Säfte müssen aus ihm weichen.«
»Ich … ich kann dir …«
»Helfen?«, vervollständigte er Cristins Satz und lachte viel zu laut für ihre Ohren. Ludewig drehte sich um, wühlte in einem Bündel, das am Fußende des Bettes lag, und reichte ihr einen Kanten Brot. »Ist nicht mehr ganz frisch, aber immerhin ohne Schimmel. Nimm hin.«
Sogar ein wenig weich war es noch in der Mitte, und da Cristin starke Zähne
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