Die Gordum-Verschwörung
nicht. Aber dass wir mit der Hardenberg-Bibliothek fast durch sind, das war mehrfach zu lesen. Ein Kenner der Bibliothek hat dann durchaus den Schluss ziehen können, dass nun …“
„Verstehe“, unterbrach Greven. „Also, wenn das Verschwinden des Buches kein Zufall ist, und es ist kein Zufall, dann muss der Dieb über gewisse Grundkenntnisse verfügen.“
„So könnte man es ausdrücken. Er hat das Buch ja auch ohne unsere Hilfe gefunden und es, wie auch immer, aus der Bibliothek schmuggeln müssen. Das ist gar nicht so einfach.“
„Haben Sie eine Möglichkeit nachzusehen, wer in den letzten vier bis sechs Wochen die Bibliothek aufgesucht hat?“
Der Bibliothekar lächelte verlegen. „Nur bei bestimmten Anfragen von Wissenschaftlern und Instituten können wir das zurückverfolgen. Aber es gibt zum Beispiel auch Führungen von Gruppen, oder …“
Greven nickte. „Trotzdem wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir alle Namen, über die Sie noch verfügen, oder die Ihnen noch einfallen, auflisten könnten.“
Erneut hallte ein Seufzer durch das mittelalterliche Gebäude. Diesmal war es ein kollektiver.
„Und sollte wider Erwarten das Buch doch noch irgendwie auftauchen, informieren Sie mich bitte umgehend.“
Greven blieb nur noch übrig, sich für die Unterstützung zu bedanken und sich die Namen der Mitarbeiter geben zu lassen. Dann kehrte er der Benediktiner-Abtei den Rücken.
Auf der Rückfahrt nach Aurich schlich sich Wut durch seinen Schädel, erst hier und da lauernd, dann offen und lodernd. Mehrfach schlug er mit der flachen Hand auf das Lenkrad, sein rechter Fuß erwischte das Gaspedal, und die uniformierten Kollegen ihn. Kurz hinter Loppersum winkten sie Greven rücksichtslos rechts ran. Er ließ die Scheibe heruntergleiten, zückte seinen Ausweis und hielt ihn dem Verkehrspolizisten, kaum hatte sich dieser zu ihm herabgebeugt, unter die Nase.
„Na so was, der Herr Hauptkommissar Greven von der Kripo Aurich“, stellte der Kollege fest. „Hat es wieder einmal eilig. Wahrscheinlich ein besonders wichtiger Fall, der schnell noch am Vormittag gelöst werden muss. Da kann man schon mal gut hundert fahren, auch wenn nur siebzig erlaubt sind.“
„Hör ich da etwa einen ironischen Unterton?“, schmollte Greven.
„Aber woher denn, Herr Hauptkommissar, ich kläre Sie nur über den Sachverhalt auf, und der lautet hundertfünf statt siebzig. Und diese siebzig gelten nun mal für jeden. Auch für Hauptkommissare. Oder befanden Sie sich gerade im Einsatz? Ich jedenfalls habe keine Signale bemerkt.“
„Nein, eine ganz gewöhnliche Dienstfahrt“, antwortete Greven, der genau wusste, dass er die schlechteren Karten hatte, zumal er erst im März auf der B 72 bei Engerhafe geblitzt worden war. Das schien auch der selbstbewusste Uniformierte zu wissen, dessen Laune nicht besser war als die seine, aber wahrscheinlich bald besser sein würde.
„Im Frühjahr haben wir ja kollegialerweise ein Auge zugedrückt, doch diesmal, fürchte ich, muss ich Ihre Geschwindigkeitsübertretung weiterleiten. So leid mir das auch tut.“
„Tun Sie, was Sie nicht lassen können“, brummte Greven und steckte seinen Ausweis zurück in die Tasche seines Baumwollhemdes.
„Worauf Sie sich verlassen können“, grinste der Verkehrspolizist, längst umringt von drei weiteren Kollegen, die sich den Spaß nicht hatten entgehen lassen. „Weiterhin gute Fahrt und viel Erfolg“, fügte er noch hinzu und legte zwei Finger an den Schirm seiner Mütze.
„Danke“, brummte Greven und gab vorsichtig Gas. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Er konnte sich schon jetzt die Gesichter seiner liebsten Feinde ausmalen, die ihn aus zufällig geöffneten Türen anbleckten, ihm Kalauer in den Rücken warfen. Die Wut in seinem Schädel gärte, doch sollte sie noch mehr Nahrung erhalten, denn in diesem Augenblick rührte sich sein Handy. Greven fuhr ordnungsgemäß rechts ran und drückte die grüne Taste. Es war Gesine Oltmanns. Sie lud ihn ein, morgen im Anschluss an die Beerdigung von Harm an einer kleinen Trauerfeier mit alten Freunden teilzunehmen, die sie zusammengetrommelt hatte. Greven stimmte zu.
Das Institut für Rechtsmedizin in Oldenburg hatte die Leiche erst kürzlich freigegeben, da man noch verschiedene Tests durchgeführt, Fragen erörtert und Rücksprache mit der Zentrale in Hannover gehalten hatte. Greven hatte den Bericht nur kurz überflogen, da an der Todesursache letztendlich kein Zweifel bestand. Und der
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