Die Gordum-Verschwörung
oder?“
Dr. Rothoff ähnelte wieder leicht Mortimer Brewster, als seine Phantasie zu arbeiten begann. Das Lachen war längst von den Räumen des Archivs geschluckt worden. Tausende von Büchern und Dokumenten hatten es absorbiert. Auf dem Bildschirm tanzten wieder die Buchstaben.
„Allerdings“, sagte der Archivar ernüchtert, „in dieser Version sieht die Sache schon ganz anders aus. Mehr können Sie mir nicht über den Fall sagen? Wen Sie in Verdacht haben? Einen Emder Stadtrat?“
„Tut mir leid. Nur so viel, dass Gordum im Kopf eines Mörders spukt. Außerdem muss ich Sie natürlich bitten, dieses Wissen unbedingt für sich zu behalten.“
„Sie können sich auf mich verlassen. Kann ich Ihnen sonst noch irgendwie helfen?“
„Hat jemand in der letzten Zeit, sagen wir, in den letzten vier bis sechs Wochen, Material über Gordum verlangt?“
„Das ist schwer zu beantworten. Da müsste ich erst meine Kollegen fragen. Außerdem ist der Katalog sowohl online als auch hier an den Rechnern verfügbar. Wer wann welchen Suchbegriff oder Titel eingegeben hat, kann ich nicht zurückverfolgen.“
„Es hätte ja sein können. Sollten Sie dennoch etwas erfahren, rufen Sie mich bitte sofort an. Außerdem wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie einfach Ihre Ohren und Augen offen hielten. Aber bitte keine eigenen Ermittlungen, damit wir uns richtig verstehen. Lediglich die Sensibilität ein wenig steigern. Mit dem Mörder, den wir suchen, ist nicht zu spaßen.“
Der Archivar verabschiedete ihn mit einer Miene, die verriet, dass nun auch seine Gedanken das Möglichkeitsfeld durchstreiften. Vielleicht, dachte Greven, träumt er in der kommenden Nacht von Illuminaten, die sich heimlich in muffigen Ratskellern versammeln.
19. Kapitel
Die Bilder der Marssonde waren phantastisch. Das künstliche Auge des Roboters inspizierte eine völlig fremde, aber doch sonderbar vertraute Landschaft, was vor allem an dem Geröllfeld lag, das auch im Grand Canyon oder in Zentralaustralien liegen konnte. Nur der Horizont war nicht so weit entfernt wie auf der Erde; schon hinter der übernächsten Riesendüne begann der rötliche Himmel, dessen Farbenspiel keinen Zweifel daran ließ, dass die Bilder von einem anderen Planeten stammten.
Der Landung der Sonde, die einen bemannten Flug zum Mars vorbereiten sollte, war ein langer Streit vorausgegangen. Zahlreiche Anhänger der Thesen von Dänikens und von Buttlars, Ufo-Clubs und Amateur-Marsianer hatten darauf gedrängt, dass die Sonde der NASA in der Cydonia-Region landen sollte. Dort hatten die beiden VIKING-Sonden bei ihrer Mission im Jahr 1976 das berühmte Marsgesicht sowie pyramidenförmige Felsstrukturen fotografiert. Nüchterne Zeitgenossen hatten die rätselhaften Objekte auf den unscharfen Bildern als natürliche Phänomene, als zufälliges Spiel von Licht und Schatten interpretiert, während phantasiebegabte Menschen die Reste einer außerirdischen Zivilisation zu erkennen glaubten. Manche sprachen gar von einer „Mars-City“, die in den Sandstürmen verborgen sei. Da nachfolgende Sonden das Rätsel nicht befriedigend hatten lösen können, war die Forderung laut geworden, die neue Sonde müsse in der Cydonia-Region landen, um endlich für Klarheit zu sorgen. Doch die NASA hatte sich für einen anderen Landeplatz unweit des Nordpols entschieden, worauf ihr sogleich vorgeworfen wurde, die vielleicht wichtigste Entdeckung in der Geschichte der Menschheit dieser vorenthalten zu wollen. Von Vertuschung und Manipulation war die Rede, von Intrigen und geheimen Vorgängen in der Area 51.
Greven hockte vor dem Fernseher und betrachtete abwechselnd die Bilder vom Mars und die Narben auf seinem Knie, das gerade von Mona wieder einmal routiniert versorgt worden war. Bei genauem Hinsehen konnte man auch dort ein Gesicht erkennen, ein verzerrtes allerdings, aber mit Augen, Nase und schiefem Mund, zusammengesetzt aus Hautkontinenten, denen die operative Kontinentaldrift neue Positionen aufgezwungen hatte.
„Grappa?“
„Grappa!“
Er streckte sein Bein auf dem Sofa aus und genoss es, von Mona verwöhnt zu werden, die eine kugelbauchige Flasche öffnete und zwei ihrer tollen Gläser füllte.
Auf dem Bildschirm kroch der Roboter weiter über das Geröllfeld, das sämtliche Nuancen der Farben Rot und Braun zu bieten hatte. Greven war von den Bildern fasziniert, die mehr als 100 Millionen Kilometer durchs All zurückgelegt hatten, er war vom Mars fasziniert und von der
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