Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06
Gänge wieder in Ordnung gebracht. Bei den Sternen!«
Sternenströmer mußte sich abwenden und zitterte am
ganzen Leib. Die Jägerin trat zu ihm und legte ihm eine
Hand auf die Schulter: »Geht es wieder, Schwiegervater?«
Der Ikarier holte tief Luft, versuchte zu lächeln und
drückte Caelum enger an sich. »Verzeiht bitte, aber nie
zuvor sah ich so gräßlich entstellte Leichen. Nicht einmal
damals nach dem Blutbad im Hain des Erdbaums.« Seine
Stimme schwankte, und er mußte noch einmal durchatmen. »Wir haben oben auf dem Gipfel einen großen
Scheiterhaufen errichtet und sie dort verbrannt. Ihre Seelen sind zu den Sternen aufgestiegen.«
Wieder schwieg Sternenströmer, und Axis und Aschure gönnten ihm Zeit, sich wieder zu sammeln. »Rabenhorst und ich standen uns nie sehr nahe«, fuhr der Zauberer dann fort. »Das lag vor allem am zu großen
Altersunterschied, aber auch an der Verschiedenartigkeit
unserer Persönlichkeiten.« Dennoch füllten sich seine
Augen jetzt mit Trauer. »Der Krallenfürst hatte mir immer wieder vorgeworfen, ich sei zu unbesonnen. Bei den
Sternen, er hatte recht, Axis. Mein eigener Sohn hat dieses Massaker befohlen. Bloß weil ich meine Lust nicht
bezähmen konnte, – mußte soviel Tod und Vernichtung
über mein Volk kommen.«
»Eure Leidenschaft, Vater? Dann solltet Ihr Euch aber
auch die Schuld daran geben, daß die Ikarier heute wieder über die südlichen Himmel fliegen!« entgegnete der
Krieger. »Und daran, daß die heiligen Stätten den Vogelmenschen wieder offenstehen. Eure Lust trägt die
Verantwortung dafür, daß Euer Volk seine Freiheit zurückgewonnen hat.«
Aber Sternenströmer hielt immer noch den Kopf gesenkt. »Große Erfolge rufen auch große Schmerzen hervor, die zwei Seiten derselben Medaille«, flüsterte er.
»Wäre es Euch denn lieber, Vater, wenn die Ikarier
immer noch hier in der großen Versammlungshalle säßen
und sich an unerfüllbaren Träumen berauschten? Bei den
Göttern, ich habe nicht soviel erreicht und durchgemacht,
nur um jetzt zuzusehen, wie Euch das schlechte Gewissen plagt.«
Sternenströmer sah seinen Sohn verwundert an und
fing im nächsten Moment an laut zu lachen. »Ihr bereitet
mir immer Freude, Axis, und Ihr habt auch den Vogelmenschen mehr Freude als Schmerz beschert. Vergebt
mir mein törichtes Gerede.«
Aschure nahm ihm Caelum ab. »Rabenhorst, Hellefeder und all die anderen, die hier sterben mußten, sind
gerächt, Schwiegervater.«
»Ja, Dornfeder berichtete mir davon. Seid im Namen
meines Volkes zutiefst bedankt für das, was Ihr am Gorkenpaß bewirkt habt.« Er lachte wieder. »Ich wünschte,
ich hätte das Ende der Greifen sehen können.«
Die junge Frau lächelte: »Gewiß wird mein Gemahl
Euch gern die Erinnerung an diesen Tag wiederbeleben.
Am besten dann, wenn Ihr beiden nichts Besseres zu tun
habt, als am Kaminfeuer zu sitzen und Euch an rührseligen Geschichten von früher zu erbauen.«
»Sternenmann? Zauberin?«
Sie drehten sich um und sahen Freierfall, der zu ihnen
heraufgestiegen kam. Abendlied folgte gleich dahinter.
Die vier begrüßten sich herzlich, lachten viel und vergossen auch ein paar Tränen. Aschure umarmte die beiden
jungen Vogelmenschen noch einmal, als sie erfuhr, daß
sie geheiratet hatten. »Vor der Ersten Priesterin haben
wir unser Gelübde abgelegt«, berichtete Abendlied, »und
sie weinte noch mehr als Ihr jetzt.«
Darüber mußte Aschure lachen, und sie wischte sich
die Augen trocken, um Freierfall dann noch einmal zu
küssen. »Genießt das Sonnenfliegerglück Eurer Ehe …«
Ein neuer Gedanke kam ihr, und sie lächelte und sagte
mit einem Augenzwinkern: »Und zeugt eine hübsche
Tochter, in die Caelum sich dann verlieben kann.«
Die beiden jungen Leute erröteten, kamen aber nicht
dazu, darauf etwas zu entgegnen, denn eben blickte Axis
zu den oberen Galerien und entdeckte dort den Geschwaderführer: »Dornfeder. «
Der Offizier stand oben an der Treppe und hatte wieder sein gewohntes prächtiges Dunkelrot auf seine Federn aufgetragen. Doch der Gruppe unten fiel weniger
sein herausgeputztes Gefieder ins Auge.
Dornfeder hielt nämlich den edelsteinbesetzten Halsring der Krallenfürsten in den Händen.
Freierfall wurde bei diesem Anblick sichtlich beklommen, und als der Geschwaderführer nun langsam
und feierlich die Treppe herunterkam, trat der Jüngling
unruhig von einem Fuß auf den anderen. Axis warf ihm
einen nachdenklichen Blick zu. Freierfall mußte doch
damit
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