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Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06

Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06

Titel: Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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Bewohner so sehr geliebt hat.«
Sein Blick wanderte über die Weißgewandeten: »Lasset uns nun ihrer gedenken!«
Dann schwieg Sternenströmer einige Zeit, damit die
Anwesenden sich ihren eigenen Erinnerungen an Morgenstern hingeben konnten.
»Sie wurde fern von diesem Ort erschlagen«, fuhr er
dann fort. »Die Wiederentdeckungen im Süden freuten
sie sehr, aber am meisten faszinierten Morgenstern die
uralten Schriften, die wir im Narrenturm fanden. Viele
dieser Bücher und Rollen hielten die Ikarier für längst
verloren. Meine Mutter hoffte, noch genug Zeit und Muße zu haben, diese Texte zu ordnen und zu studieren.
Doch das hatte das Schicksal nicht für sie vorgesehen.«
Sternenströmer schritt langsam den Kreis ab. Aus dem
Schacht drang hellgoldenes Licht in die Nacht und beleuchtete sein Gesicht. »Wir haben Morgenstern bereits
ins Nachleben verabschiedet, gleich jenen, welche hier
ermordet wurden, und sie in allen Ehren bestattet. Heute
nacht wollen wir den Krallenturm selbst reinigen von allem Übel und ihm seinen ursprünglichen Geist wieder
eingeben. In der alten Zeit diente diese Bergstadt den Ikariern im Sommer als Vergnügungsstätte. Danach wurde
sie zur Zuflucht und zur Heimstatt unseres Volkes … und
schließlich zum Ziel eines mörderischen Anschlags …«
Er berührte im Schreiten die Gesichter der Versammelten und sah jedem tief in die Augen, so als wolle er in
die Seele jedes einzelnen hineinschauen. Als Sternenströmer Aschure erreichte und seine Finger leicht über
ihr Antlitz fuhren, glaubte sie, seine Augen brannten sich
ihren Weg in ihr Innerstes. Zitternd hielt sie ihnen stand.
Wenn man täglich mit Sternenströmer zu tun hatte, dachte sie, vergaß man leicht, welch überaus mächtiger Zauberer er war.
»Doch nun ist die Stunde gekommen«, fuhr der Hohepriester fort, »an dem der Krallenturm wiedergeboren
werden soll. Wir sollten uns die Zeit nehmen, darüber
nachzudenken, welche Dienste dieser Berg uns in Zukunft leisten soll … und wie wir ihm dienen können.
Freierfall Sonnenflieger, auserwählter neuer Krallenfürst,
sprecht Ihr als erster!«
Der Jüngling, an dessen Hals der Ring leuchtete, trat
in die Mitte des Kreises. Bei den Sternen, wie schön er
ist, dachte Aschure. Mit dem goldenen Haar, den violetten Augen und den schneeweißen Schwingen könnte man
ihn für einen der Götter halten.
»Der Krallenturm wartet darauf, daß ihm eine neue
Richtung gewiesen … und ein neuer Namen verliehen
wird. Sternenströmer hat in seiner Rede bereits anklingen
lassen, daß der Berg von nun an eine Stätte der Besinnung und der Lehre sein soll. Ein Ort, an dem die Ikarier
zusammenkommen können, um die Mysterien zu ergründen und gemeinsam über sie zu reden. Ich kann mich nur
vor diesem Vorschlag verneigen. Der Krallenturm wäre
die geeignete Gedenkstätte für Morgenstern und für ihre
große Liebe, sich Unerforschtem und Rätseln zu widmen.
Verwandeln wir den Berg in einen Hort der Bücher und
der Muße, in ein Heim der Musik und des Zaubers, in
dem großartige Entdeckungen und gemeinsames
Schweigen gleichermaßen Platz finden. Und so soll der
Berg auch einen neuen Namen haben. Denn der Krallenfürst wird von nun an, aus seinem Palast in den Minarettbergen herrschen. Als neuen Namen schlage ich daher
vor …«
»Sternenfinger«, warf Axis ein.
Freierfall stand mit offenem Mund da. Das war nicht
der Name, den Sternenströmer und er gewählt hatten.
»Sternenfinger«, sagte nun auch Aschure, und ihr
Blick traf sich mit dem ihres Gemahls.
Sternenströmer warf einen strengen Blick auf die beiden, dann einen bedauernden auf den neuen Krallenfürsten und sagte schließlich: »Sternenfinger.«
»Sternenfinger«, erklärte daher nun auch Freierfall,
und alle Versammelten wiederholten den neuen Namen,
bis ihre Herzen und Sinne ihn sich eingeprägt hatten.
Der Jüngling kehrte nun in den Kreis zurück, und
Sternenströmer sang in der uralten und heiligen Sprache
der Vogelmenschen. Er wob Zauber und Schutzbanne
mit seinen Worten, die Sternenfinger vor weiteren Entweihungen bewahren und alle, die hier in Zukunft leben
und arbeiten würden, Eintracht und Frieden bescheren
sollten. Seine Stimme klang klar und lieblich in die
Nacht, erscholl aber nicht so gewaltig und so voller
Macht wie damals bei der Wiedererleuchtung des Sternentempels. Dennoch bewegten sie die Zuhörer und
drangen tief in ihre Seelen.
Als Sternenströmer geendet hatte, hob er die Fackel
vom Boden

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