Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06
Ältesten, Magiern und
Häuptlingen, daß Axis sich wie in einem Traum vorkam.
Auch befürchtete er, ihre Freundlichkeit könne jeden
Moment wie ein dünner Schleier zerreißen, um dahinter
ihre alte Feindseligkeit wieder zum Vorschein treten zu
lassen.
Aber diese Sorge erwies sich als unbegründet. Und
jetzt begriff der Krieger, daß ein unerhörter Wandel in
den Awaren vorgegangen war. Sie nahmen nicht nur ihn,
den Sternenmann, sondern auch alles an, was mit ihm in
Zusammenhang stand.
Als er von allen Häuptlingen den Handschlag empfangen hatte, nahmen Faraday und Schra ihn an der Hand
und führten ihn zur Mitte des Steinkreises.
Axis sah sie verwundert an, aber sie bedeuteten ihm zu
schweigen und schauten zu den Bogengängen.
Er folgte ihrem Blick. Wie schon in der Belitidennacht
brannten überall auf den Steinsäulen Fackeln. Dahinter
erkannte er kaum mehr als den hoch aufragenden Erdbaum. Alles andere innerhalb des Kreises lag im Schatten. Was sollte nun folgen?
Etwas bewegte sich auf der anderen Seite des Kreises.
Faraday erstarrte, aber der Krieger sah nicht nach ihr.
Gestalten bewegten sich langsam um den dicken Stamm,
aber mehr konnte Axis trotz seiner zauberischen Sehkraft
nicht erkennen. Er spürte, wie die Edle an seiner Seite
zitterte, und jetzt drehte er sich zu ihr um.
Tränen quollen langsam und still aus ihren Augen,
aber sie schüttelte leicht den Kopf, als sie bemerkte, daß
er sie ansah.
Da wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Geschehen am Erdbaum zu, und das Schweigen der Awaren
hinter ihm lastete wie ein großes Gewicht auf ihm.
Eines der Wesen löste sich aus der Gruppe am Stamm
und trat ins Licht. Faraday schrie entsetzt, und der Krieger holte vernehmlich Luft. Es war Ogden. Der Wächter
wirkte von einer Krankheit so entstellt und zerstört, daß
Axis unwillkürlich einen Schritt auf ihn zu machte.
»Nein!« rief Ogden heiser und hielt abwehrend eine
zitternde Hand hoch. »Bleibt stehen, Axis, Ihr dürft uns
nicht zu nahe kommen.«
»Bei den Sternen!« murmelte der Krieger, und das bezog sich vor allem auf das Äußere des Wächters. Die
Haare waren ihm bis auf ein paar kleine Büschel über
den Ohren ausgefallen. Die Haut hatte sich ungesund
gerötet, offene Geschwüre zeigten sich darauf, das Gesicht war so geschwollen, daß er die Augen kaum öffnen
konnte, und der Mund stand ihm die ganze Zeit offen,
weil er sonst keine Luft bekam. Selbst aus dieser Entfernung konnte Axis hören, wie Ogdens Atem in den Lungenflügeln rasselte.
Veremund und Yr gesellten sich nun zu Ogden, und
diese beiden sahen, wenn das überhaupt möglich war,
noch schlimmer aus als ihr Gefährte.
Faraday entfuhr ein Laut des Jammers, und sie wandte
sich ab. Die Katzenfrau war fast nicht wiederzuerkennen.
Wo waren ihre blauen Augen, das ungestüme Wesen und
das verführerische Lächeln geblieben?
Verschwunden und vergangen in dem Abgrund des
Siechtums, das auch Ogden und Veremund befallen hatte.
Als dann auch Zecherach in ähnlich erbärmlichem Zustand vor sie trat, war es mit der Ruhe der Awaren vorbei. Ein Chor von leisem Stöhnen erhob sich aus den
Reihen. Die Wächterin konnte nicht einmal mehr auf
eigenen Beinen stehen – sie kroch über den Boden. Mit
den Händen krallte sie sich in der Erde fest und zog die
nutzlosen Beine hinter sich her.
»Ich muß ihnen einfach helfen!« rief Axis zutiefst bestürzt, aber als er los wollte, hielt Schra ihn an der Hand
zurück.
»Ihr dürft sie nicht berühren!« ermahnte sie ihn streng.
»Überlaßt sie sich selbst«, fügte sie dann versöhnlicher
hinzu, »denn sie wissen sehr genau, was sie zu tun haben.«
Der Krieger blieb an seinem Platz und starrte auf die
Elendsgestalten. Dann wandte er sich flüsternd an Faraday: »Wußtet Ihr davon?«
Sie schüttelte langsam den Kopf, konnte aber den
Blick nicht von der Gruppe lösen. »Nein, ich … mir war
bekannt, daß sie hierher kommen wollten … Die Wächter erschienen ungesehen vor einigen Stunden und haben
sich sofort ins Innere des Heiligtums verzogen … Aber
ich hatte keine Ahnung, daß sie … daß sie …«
Axis schluckte und sah wieder zu den Wächtern. Ihre
Augen glitzerten in der Dunkelheit sonderbar. Golden die
von Ogden und Veremund, saphirblau die von Yr und
rubinrot die von Zecherach. Sie funkelten, als hätten sie
sich in reinste Edelsteine verwandelt.
»›Bis Macht ihre Herzen verdirbt‹«, flüsterte der Sternenmann, weil sich ihm jetzt eine weitere Zeile der
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