Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06
erstrekken.«
»Und wie wollt Ihr in dieser Einöde Gorgrael aufspüren?« Axis glaubte, einen kaum merklichen Zug an seiner Seele zu spüren, so als würde sich eine winzige Kralle darin einhaken. Aber dieses Gefühl ließ sich nicht
genauer deuten. Wenn überhaupt, wußte der Krieger nur,
daß er sich nach Norden wenden mußte.
»Wir werden es noch früh genug erfahren«, antwortete
Brode mit fester Stimme. Doch als Axis ihn weiterhin
fragend ansah, entdeckte er Sorgenfalten um die Augen
des Ältesten und Häuptlings.
Als Brode bemerkte, daß er von dem Krieger beobachtet wurde, versuchte er, seine Bedenken als etwas Nebensächliches abzutun: »Das liegt nur an den Bäumen, Sternenmann. Die meisten von uns haben nie, oder nur
selten, den Wald verlassen. Lediglich die Magier reisten
zum Farnbruchsee, und allein ihrer Zaubermacht hatten
sie es zu verdanken, so lange ohne den schützenden
Schatten über sich auszukommen.«
»Auf«, drängte Faraday, »wir haben schon genug Zeit
verloren.« Sie setzte sich in Bewegung und lief allein in
die Eiswüste hinaus. Der Krieger schob sein Zepter in
den Ärmel und schritt hinterdrein. Die anderen folgten
ihr nach kurzem Zögern.
Gorgrael erspähte die Gruppe schon in dem Augenblick
mit seinem geistigen Auge, als sie den Wald verließ und
die Tundra betrat.
»Da haben wir sie ja!« freute er sich und teilte seine
Sicht dann mit dem Jüngling. »Schaut nur, dort marschieren sie heran!«
Damit drehte der Zerstörer sich zu Timozel um, der
am Türpfosten lehnte. »Nun brecht auf, und enttäuscht
mich nicht ein weiteres Mal!«
Der Jüngling verneigte sich und eilte von dannen.
Sie marschierten Stunde um Stunde durch eine trostlose Landschaft. Eisiger Wind blies ihnen ins Gesicht, behinderte sie aber nicht so sehr, wie sie befürchtet hatten.
Auch der Schnee plagte sie, aber er bildete auf dem Boden eine feste Schicht, auf der die Reisenden verhältnismäßig gut vorankamen.
Die Wetterverhältnisse riefen dem Krieger den Gorkenpaß ins Gedächtnis zurück.
»Vermutlich treffen wir irgendwo dort draußen Timozel an«, erklärte er Faraday.
Die Edle blinzelte nur. Sie hatte schon sehr lange nicht
mehr an den Jüngling gedacht. Armer Timozel. Wie
mochte es ihm wohl ergangen sein, seit er in jener Nacht
so überhastet aus Karlon geflohen war?
»Wie kommt Ihr darauf, Axis? Habt Ihr etwa Nachricht von ihm erhalten?«
»Der Jüngling führte als Gorgraels Feldherr dessen
Skrälingheer an. Nachdem die Bäume die Geisterkreaturen im Gorkenpaß vernichtet hatten, vermochte er, nach
Osten zu entkommen. Ich könnte mir gut vorstellen, daß
Timozel jetzt hier irgendwo auf der Lauer liegt.«
Faraday blieb ruckartig stehen und starrte den Krieger
an. »Der Jüngling führte das Heer des Zerstörers gegen
Euch in die Schlacht?«
»Ihr wußtet nichts davon? Ach, Faraday.« Er streckte
eine Hand nach ihr aus, aber sie wich vor ihm zurück.
»Timozel führte des Zerstörers Heer!« wiederholte sie
so ungläubig wie entsetzt.
Da begriff Axis, daß die Edle von den Ereignissen in
Tencendor ja nur wenig mitbekommen haben konnte,
während sie so ganz allein den riesigen Wald anpflanzte.
»Faraday, der Jüngling hat sich sehr verändert. Er ist …
er wurde zu dem Verräter, von dem die Prophezeiung
kündet.«
»Oh nein!«
Die Edle und der Jüngling hatten sich in den Monaten
vor ihrer Vermählung mit Bornheld freundschaftlich sehr
nahegestanden. Obwohl sich dieses Verhältnis nach der
Vermählung merklich abgekühlt hatte, mochte sie Timozel immer noch sehr gern. Faraday hatte ihm schon recht
früh angemerkt, daß ihn recht düstere Gedanken plagten,
aber daß Verrat dahinter steckte, nein, damit hätte sie
niemals gerechnet.
»Oh nein, das ist doch unmöglich!«
Die anderen waren an ihnen vorbeigezogen, blieben
jetzt aber stehen und schauten fragend zurück. Axis
winkte ihnen zu weiterzulaufen.
»Faraday, ich bitte Euch, hört mich an: Timozel steht
im Bunde mit dem Zerstörer. Falls er Euch hier draußen
begegnen sollte, dann redet auf keinen Fall mit ihm. Bei
der Liebe der Sterne, Faraday, traut ihm nicht!«
Sie atmete tief durch und sagte nur: »Timozel.«
»Faraday, bitte …«
»Ja, ja, ich habe Euch gehört, Axis, und werde vorsichtig sein.«
Damit ließ sie ihn stehen und folgte den anderen.
Axis aber blieb noch einige Minuten im Schneetreiben
zurück und sah der Edlen hinterher, wie sie unbeholfen
weiterging. Ihre Finger waren vor Anspannung und Kälte
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