Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06
ruft nach
uns.«
»Verdammt noch mal! Ich werde diese Eisfestung
doch wohl noch allein finden können! Sagt mir nur, in
welche Richtung ich gehen muß.«
Doch wieder schüttelte Brode das Haupt. »Eine der
Unseren hat ihn zur Welt gebracht, Sternenmann, und
einer der Unseren wird ihn auslöschen. Zu lange haben
wir gezögert, Euch in diesem Ringen beizustehen. Deswegen werden meine Gefährten und ich Euch jetzt nicht
schon wieder den Rücken zukehren.«
»Aber dann sterbt Ihr.«
»Das war uns schon wohl bewußt, als wir mit Euch
aufgebrochen sind.«
Am nächsten Morgen stand ein weiterer Aware nicht
mehr auf. Loman und Brode wirkten grau im Gesicht,
und ihre Hände zitterten, als sie sich den Schnee der
Nacht von den Umhängen klopften.
Axis sah sie lange und streng an, aber sie wandten sich
wortlos von ihm ab und setzten sich von neuem in Richtung Norden in Bewegung.
31 »V ERTRAUT MIR «
So zog die kleine Schar weiter über die Tundra. Brode
und Loman führten sie immer weiter nach Norden und
schließlich nach Nordosten. Es war mit einem Mal bitterkalt, und trotz Axis’ Zauber drang ihnen der eisige
Wind durch Haut und Knochen.
Der Krieger hörte manchmal mitten in der Nacht die
Awaren schreien. Er wußte nicht, wer von beiden solche
Pein empfand, aber sein Herz litt mit ihnen. Doch war
ihm auch bewußt, daß er ohne die Hilfe der beiden vermutlich niemals Gorgraels Versteck aufspüren würde.
Und ohne sie könnte er sich auch nicht sicher sein, ob der
Zerstörer ihm entgegenzöge und ihm irgendwo unterwegs eine Falle stellte. Vielleicht ließe Gorgrael ihn aber
auch wochenlang in der Eisödnis umherirren, bis der Mut
ihn verließ und er sich nur noch in Verzweiflung erginge.
Dann wäre er, auch mit dem Regenbogenzepter, eine
leichte Beute für den Zerstörer.
Am Ende des achten Tages, nachdem sie den Wald
verlassen hatten, mußten sie feststellen, daß keiner ein
Wild erlegt hatte. Und die letzten Vorräte hatten sie morgens verzehrt. Nichts würde heute das Knurren ihrer Mägen beruhigen, und ihr einziger Trost stellte Axis’ Zauber
dar, der den Schnee in Feuerstellen verwandelte.
Faraday saß sehr still da, und der Feuerschein flackerte
über ihre Züge und die ausgestreckten Hände. Axis
machte sich Sorgen um sie. Die Edle war bei dem
Marsch noch mehr abgemagert, wirkte noch zerbrechlicher als zuvor, dunkle Schatten lagen um ihre Augen,
und ihr Haar hatte fast all seinen schönen Glanz eingebüßt.
»Faraday?«
Sie erhob sich. »Ich bin bald wieder zurück, Axis.«
Die Edle zögerte noch einen Moment, so als wolle sie
noch etwas sagen, aber dann entschwand dieser Augenblick und kurz darauf war sie im wirbelnden Schnee verschwunden.
»Faraday …«
»Sternenmann!« rief Arne ihn da. »Loman stirbt.«
Der Krieger starrte der Edlen noch einen Moment hinterher, obwohl er sie längst nicht mehr sehen konnte, die
Augen blind vor Tränen, gab sich dann einen Ruck und
ging hinüber zu dem Lagerfeuer, das Arne mit den beiden Waldläufern teilte.
Loman war im Laufe des Tages immer schwächer geworden. Axis konnte es daher kaum überraschen, daß der
Aware nun dalag und nicht mehr aufstehen wollte.
Er hockte sich neben den Mann, und Brode tat es ihm
auf der anderen Seite gleich, während Arne Lomans
Kopf in seinen Schoß legte.
Der Älteste sah den Krieger traurig an. Brodes Augen
waren hohl und blutunterlaufen, und auch seine Wangen
waren eingefallen. Papierdünn spannte sich die Haut über
sein Gesicht. Auch Brode würde nicht mehr lange unter
ihnen sein.
»Sternenmann, er macht sich wieder mit den Pfaden
seiner Jugend vertraut und sucht nun nach denen, die in
den Heiligen Hain führen.«
»Wird er sie denn so weit von Awarinheim entfernt
finden?«
»Ja, Sternenmann, denn Loman ist stark, und seine
Füße haben noch jeden Weg entdeckt.«
Er betrachtete Loman lange voll stiller Zärtlichkeit,
ehe er wieder Axis ansah.
»Wir stoßen morgen auf Gorgraels Versteck, Sternenmann. Es ist nicht mehr fern. Gewiß spürt Ihr es doch
auch schon?«
»Ja«, bestätigte der Krieger. »Den ganzen Tag schon
ballt sich Düsternis vor meinen Augen zusammen. Und
dunkle Töne stören den Klang des Sternentanzes. Der
Zerstörer ist nicht mehr fern.«
Brode nickte und beugte sich dann wieder über Loman.
Faraday schritt durch den Schnee. Sie hielt den Kopf
gesenkt, und ihre Hände hielten den Umhang fest zusammen. Bitterer Frost herrschte, aber der Schmerz in
ihrem Herzen fühlte sich
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