Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06
Pfluges abgelegt
hatten.
»Wir werden auf eine Probe gestellt«, erklärte Bauer
Hordley, der Dorfälteste, seinen Brüdern. »Artor will auf
diese Weise feststellen, wie stark wir im Glauben sind.«
Die anderen stimmten ihm zu. Das ganze Unheil hatte
mit der heimtückischen Ermordung ihres Priesters Hagen
begonnen. Man stelle sich nur vor, seine eigene Tochter
hatte diese schaurige Untat begangen! Niemand im Ort
hatte Aschure je sonderlich gemocht, genausowenig wie
ihre Mutter, und eigentlich hätte man sich ja denken können, wozu ein so mißratenes Mädchen in der Lage war.
Von da an war es mit dem wahren Glauben nur noch
bergab gegangen. Die beiden im Dorf gefangenen Unaussprechlichen hatten mit Hilfe der durch und durch
verdorbenen Aschure entkommen können, und der dreimal verfluchte Axtherr hatte sich nicht in der Lage gezeigt – oder das vielleicht auch gar nicht gewollt –, die
Flüchtigen wieder einzufangen.
Während der nächsten zwei Jahre war es im Norden,
Westen und Süden zu großen Schlachten gekommen, um
den Einfall der Unaussprechlichen aufzuhalten. Aber am
Ende hatte nicht der Seneschall triumphiert, statt dessen
war die wahre Kirche beinahe vollkommen untergegangen.
Die leidgeprüften Dorfbewohner hatten sich mittlerweile an schlechte Nachrichten gewöhnt.
Aber sie hatten sich auch noch an andere Dinge gewöhnt. Nach dem Tod Hagens hatte man ihnen keinen
neuen Pflughüter mehr geschickt, aber sie versammelten
sich weiterhin an jedem siebenten Tag in der Bethalle, um
Artor zu verehren. Dort saßen sie dann ruhig zusammen
und murmelten leise die Gebete, die ihnen vom Gottesdienst noch vertraut waren. Bei jeder Gelegenheit schlugen sie das Zeichen des Pfluges und fanden im Abbild des
Gottes Trost, das über dem Altar in der Bethalle hing.
Doch dann, vor etwa fünf Monaten, hatte das Abbild
begonnen, zu ihnen zu sprechen. Zuerst glaubten die braven Bürger, sie unterlägen einer Sinnestäuschung und
behielten dieses Erlebnis lieber für sich. Bis dann ein
jeder bemerkte, welcher neue Glaubenseifer in seinem
Nachbarn glühte; und sie frohlockten, denn genau so war
ja auch ihr eigener Glaube gestärkt worden. So redeten
die Menschen wieder mehr miteinander, tauschten die
Worte Artors untereinander aus … und planten.
Schmiedeten Pläne, wie sie die Hexe empfangen wollten, von der sie genau wußten, daß sie von Süden heranzog.
Um ihre Bäume einzupflanzen.
Um auf diese Weise Schatten und das Böse zu verbreiten.
Um unter den verdrehten Wurzeln ihres Waldes die
geraden und geordneten Furchen zu begraben.
Um alle, die dem Wald zu nahe kamen, mit der Saat
des Übels anzustecken.
Seit einiger Zeit erschien Artor Seinen Gläubigen auch
in ihren Träumen. In den letzten vier Nächten hatte keiner von ihnen wirklich Ruhe gefunden und oft im Schlaf
um sich geschlagen; denn Artor zeigte Seinem Volk in
schrecklichen Einzelheiten, welch ungeheuerlichen Gefahren drohten. Die Dorfbewohner träumten davon,
durch finsteren Wald zu irren, wo sie aus den Schatten
von tückischen Augen beobachtet wurden und eine uralte
Hexe mit einem blutroten Umhang sie mit Flüchen und
Bannsprüchen belegte.
Und eine weitere Frau war durch den Wald geschritten
und hatte in jeder Hand einen der Sämlinge des Untergangs getragen.
Dann hatte Artor ihnen Seine Botschaft eingeflüstert:
Sie ist es. Sie müßt Ihr vernichten. Wenn sie erst tot
ist, können wir mit der mühseligen Arbeit beginnen, dem
Land seine Reinheit zurückzugeben. Vielleicht vergeht
bis dahin sehr viel Zeit, aber das Ende dieser Hexe wird
das Ende alles Bösen sein, welches dieses wunderbare
Land besudelt.
Die Menschen lauschten Seinen Worten, glaubten Ihm
und schmiedeten ihre Pläne.
Sie wußten jetzt, daß die Frau auf ihr Dorf zustrebte.
Seit Tagen beobachteten sie schon, wie der Wald immer
näher aus der südlichen Ebene heranrückte. Nun erwarteten die Gläubigen sie, und ihre Augen glühten beinahe so
irrsinnig wie die der beiden gewaltigen roten Ochsen, die
Artors Pflug zogen.
Und welches Schicksal sie sich in Gedanken für die
Frau ausmalten, übertraf an Schrecklichkeit noch die
Drohung in ihren Augen.
»Smyrdon muß dem Bardenmeer weichen«, seufzte Faraday und richtete sich ächzend auf. »Nun, dann bleibt
uns wohl nichts anderes übrig, als den Ort zu betreten.
Barsarbe, vielleicht solltet Ihr mit Schra das Dorf besser
umgehen. Kein Grund, Euch auch in …«
»Nein!« schnitt die Magierin ihr das Wort ab,
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