Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06
verlassen und waren seitdem gut vorangekommen. Weder Schnee noch
Eis behinderten sie auf dem Marsch. Das Tauwetter hatte
feuchten, mitunter sogar schlammigen Boden hinterlassen, aber die Späher fanden jeden Morgen für die Soldaten die beste Route. So kamen Männer und Pferde verhältnismäßig gut voran. Es gab nur Beschwerden über
den eisigen Nordwind, der nachts Frost unter die Decken
kriechen ließ. Der Himmel zeigte sich zwar immer noch
öfters bewölkt, aber Schneewolken trieben nicht mehr
heran. Heute würde die Armee am westlichen Rand der
Urqharthügel lagern, und morgen ging es dann geradewegs nach Norden, auf die Feste Gorken zu.
Gorken … bei dem Gedanken daran verzog der Krieger das Gesicht. Dort würde die endgültige Entscheidung
im Kampf gegen die Skrälinge fallen müssen. Axis würde kein neues Heer ausheben können. Aber er rechnete
fest damit, daß diesmal eine Seite den endgültigen Sieg
davontragen würde. Und so wie es aussah, sprach alles
für Gorgrael.
Gut und gerne dreihunderttausend Geisterkreaturen
standen Axis gegenüber. Vermutlich sogar noch viel
mehr, wenn sie in den Monaten nach der Schlacht am
Azle neuen Nachwuchs in die Welt gesetzt hatten. Der
Gorkenpaß und die Festung lagen gewißlich noch unter
dem Eis und Schnee des Zerstörers begraben. Ein großer
Vorteil für die Skrälinge und eine ernstzunehmende Behinderung für die Streitkräfte des Kriegers. Außerdem
standen Timozel mindestens siebentausend Greifen zur
Verfügung – eher noch eine bedeutend größere Anzahl.
Axis schüttelte sich.
Diesem Riesenheer konnte er nur sechsundzwanzigtausend Soldaten entgegenhalten. Und die Luftarmada.
Und Aschure.
Falls sie rechzeitig dort eintraf.
Verdammtes Frauenzimmer, fluchte der Krieger in
Gedanken, warum seid Ihr nicht hier bei mir? Warum
braucht Faraday Euch dringender als ich? Hätten wir
Artor nicht noch ein paar Wochen mit seinem Pflug die
Gegend um Smyrdon unsicher machen lassen können?
Seine sechsundzwanzigtausend Soldaten würden untergehen, wenn die Jägerin nicht erschien. Die Armee
war gut und schlachterprobt, aber solch ein Gegner würde sie in einer halben Stunde überrennen und niedermachen.
»Göttin Mond«, flüsterte er, als er zwischen zwei
Wolken den gerade aufgehenden Himmelskörper entdeckte, »seid für mich zur Stelle!«
Wenn Aschure Smyrdon jetzt noch nicht verlassen
hätte, würde sie doch wohl kaum noch rechtzeitig im
Norden ankommen können. Selbst mit ihren besonderen
Gaben vermochte sie wohl kaum, die große Entfernung
zu überwinden, um ihm beizustehen …
Und wie stand es mit den Bäumen? Ohne die Hilfe des
vereinten Awarinheim-Zauberwaldes würde nichts und
niemand die Skrälingscharen aufhalten können. Von den
Greifen ganz zu schweigen. Die Jägerin mochte vielleicht
mit den Himmelsbestien fertigwerden können, aber gegen dreihunderttausend Geisterkreaturen kam auch sie
nicht an. Für diesen Kampf war Axis dringend auf die
Bäume und die Baumfreundin angewiesen.
Verdammtes Weibsvolk! schimpfte der Krieger in Gedanken. Was trieben sie gerade? Wo steckten sie?
»Axis?«
Belial kam auf ihn zugeritten. Der Krieger gab sich alle Mühe, sich nichts von seinen schweren Sorgen anmerken zu lassen. »Was gibt es, mein Freund?«
Der Leutnant zügelte sein Roß neben Belaguez. »Herr,
die halbe Armee ist an Euch vorbeigeritten, während Ihr
dasitzt und Löcher in die Luft starrt.«
»Ich habe keine …«
Aber Belial lachte und erstickte damit seinen Widerspruch. »Wollt Ihr mir etwa weismachen, Ihr hättet Euch
nicht gerade über etwas den Kopf zerbrochen? Freund,
ich kenne Euch zu lange, um Euch nicht zu durchschauen.«
Der Krieger seufzte. »Ich habe an Gorken gedacht.
Und mir gewünscht, Aschure wäre schon wieder bei mir
… bei uns.«
Belial zuckte die Achseln. »Entweder siegen wir bei
Gorken, oder wir gehen unter. Und sich nur hier in Grübeleien zu verlieren, ändert daran rein gar nichts, weder
für unsere noch für die gegnerische Seite.«
Axis legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Aus Euch
spricht die Erkenntnis eines Philosophen, mein Freund.«
»Oh, nein«, grinste sein Leutnant. »Ich versuche nur,
Euch aus Euren schweren Gedanken zu reißen, damit Ihr
endlich den Befehl gebt, dort drüben das Lager aufzuschlagen. Zu viele Stunden sind seit unserem hastigen
Mittagsmahl vergangen. Mein Magen beschwert sich
schon heftig.«
Belial saß am Lagerfeuer und starrte in die Flammen. Sie
hatten gut und reichlich
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