Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06
gestorben wäre«, entgegnete Xanon voller Mitgefühl.
»Dann wird der Zerstörer ihn nur am Leben lassen, um
ihn ausgiebig zu foltern«, erklärte Axis voller Bitternis.
»Womöglich wäre der Tod für Caelum gnädiger als ein
solches Los.« Er hob den Kopf, starrte sie an und fragte
langsam: »Xanon, was können wir nur tun?«
Die Göttin zögerte kurz und strich ihm dann über die
Wange: »Ihr werdet Euch ganz auf Aschure verlassen
müssen.«
»Auf meine Gemahlin?« Nun gelang es dem Krieger,
sich von ihr zu befreien. »Warum denn auf sie?«
»Weil die Mondgöttin die einzige ist, die Caelum jetzt
helfen kann.«
»Ihr wollt wohl sagen«, ereiferte sich Axis, »daß sie
die einzige sei, die zur Zeit geopfert werden kann!«
»Auf keinen Fall dürft Ihr selber gehen, mein Lieber;
denn genau das will der Zerstörer ja. Ihr sollt Euch ihm
ohne Zepter des Regenbogens stellen – denn dann kann
er Euch mit Leichtigkeit besiegen.«
Der Krieger ließ in seiner Hilflosigkeit zu, daß die
Göttin ihn erneut umarmte. Für eine Weile schwiegen
sie.
»Wird Aschure in Gefahr geraten?« fragte er schließlich.
»Ja, Axis, ich fürchte, das wird sie. Aber Adamon
wird ihr mit allem helfen, was uns zur Verfügung steht.«
»Immerhin hat Aschure ja bereits Artor besiegt«, bemerkte der Krieger, vor allem um sich selbst Mut zu machen.
»Ja, das hat sie vollbracht«, bestätigte Xanon. »Aber
sie besitzt nicht die Macht, den Zerstörer ebenfalls zu
töten. Seine Kräfte unterscheiden sich nämlich von denen
unseres alten Feindes. Außerdem war Artor nach dem
Zusammenbruch Seines Seneschalls nur noch ein Schatten Seiner selbst. Daß die Menschen nicht mehr an Ihn
glauben wollten, hat Ihm eine tödliche Wunde beigebracht. Und nicht zu vergessen, daß Aschure die Macht
der Neun und dazu noch die Kräfte der Mutter gegen Ihn
einsetzen konnte. Bei Gorgrael dürfte ihr das nicht so
leichtfallen.«
»Aschure kann ihre vielfältigen Kräfte nicht gegen den
Zerstörer gebrauchen? Wieso, der ist doch inzwischen
auch geschwächt!«
»Axis«, begann die Göttin sanft, aber bestimmt, »Gorgraels Leben ist ebenso wie das Eure an die Prophezeiung geschmiedet. Keiner von Euch beiden kann sterben,
es sei denn durch die Hand des anderen. Gorgraels Macht
hat gelitten, zugegeben, aber nur darin, daß er dem Wetter nicht mehr gebieten kann. In allen anderen Bereichen
ist er stark und lebendig wie eh und je.«
»Dann mögen die Sterne meiner Gemahlin beistehen«,
flüsterte Axis, »denn ohne sie werden wir vor Gorken
untergehen … werde ich untergehen.«
Gorgrael legte den Kopf schief und knurrte das schreiende Balg an. Wieder hob er die krallenbewehrte Hand,
doch er schlug nicht zu.
Ein toter Caelum nutzte ihm überhaupt nichts.
Aber wenn der Zerstörer vorher gewußt hätte, wieviel
Geschrei und Gezappel so ein Wurm veranstaltete, hätte
er sich die ganze Sache sicher noch einmal gut überlegt.
»Schweigt endlich!« zischte Gorgrael. Das Kind
schluckte und stellte zum ersten Mal seit Stunden sein
Gejammer ein. Statt dessen starrte er den Zerstörer mit
großen Augen an.
Mutter?
»Eure Mutter kann Euch hier nicht helfen, dummes
Ding.« Gorgrael ließ die erhobene Hand nun endgültig
sinken und betrachtete den Kleinen mit kalten Augen.
Der Umstand, daß es sich bei Caelum um seinen Neffen
handelte, war ihm noch gar nicht in den Sinn gekommen
– selbst dann hätte er ihm nichts bedeutet. Der Zerstörer
verstand noch nicht einmal, was dieser kraftlose, immerzu schreiende Zwerg eigentlich an sich hatte, daß Axis
und seine Gemahlin mit dem pechschwarzen Haar ihn so
sehr liebten.
Vielleicht irrte er sich ja. Womöglich war der Krieger
überhaupt nicht bereit, wegen dieses Wesens alles aufs
Spiel zu setzen.
Nun, das würde er sicher bald erfahren. Wenn Axis
der kleine Junge wirklich so sehr am Herzen lag, dann
würde er rasch zu seiner Rettung aufbrechen. Denn
schließlich wußte ja niemand, was der böse Zerstörer mit
dem kleinen hilflosen Kind vorhatte.
Gorgrael lächelte und quälte Caelum damit, ihn mit
einer seiner langen Krallen überall am Körper zu pieken.
Der Junge schrie wieder, obwohl er sich doch bis eben
noch so tapfer bemüht hatte, still zu sein. Der Zerstörer
verzerrte das Gesicht. So ein ungezogenes kleines Ding!
Er bohrte die Kralle jetzt tiefer in die zarte Haut des Kindes, um es zum Schweigen zu zwingen. Caelum schloß
beide Augen und öffnete den Mund.
Aber kein Laut kam ihm über die
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