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Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06

Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06

Titel: Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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denselben Traum.
Axis warf sich im Halbschlaf hin und her, weil er keine rechte Ruhe fand. Der Krieger murmelte etwas vor
sich hin, bis er dann doch in tiefen Schlummer fiel und
der gemeinsame Traum auch ihn erreichte. Bald lächelte
er.
»Träumt weiter«, sagte Aschure leise und ließ den
Blick noch einen Augenblick auf ihrem Liebsten ruhen.
Im Norden, Westen, Süden und Osten schlugen die
Wellen der Gezeiten an die Ufer, und mit ihnen wogten
die Träume vor und zurück; denn der Mond ist nicht nur
Herr der Gezeiten, sondern auch der Hüter der Träume.
»Nach Norden«, gebot Aschure jetzt, und das Mondlicht setzte sich wieder in Bewegung, trieb wie eine eigene Flut über das Land. Die Jägerin flog über Awarinheim
und die Eisdachalpen.
Vor ihr breitete sich die große Tundra aus. So weit,
wie das Auge nur reichte und auf keiner Karte verzeichnet, erstreckten sich Eis, unfruchtbarer Boden und lebensfeindliche Ödnis.
Bis auf eine einzige Ausnahme: die große Eisfestung,
die in tausend Farben schillernd dem Mond entgegenwuchs. Ein gewaltiges Prisma, das viel zu schön wirkte,
um in seinem Innern das vollkommen Böse zu beherbergen. Und doch diente die Eisfestung dem Zerstörer als
Heimstatt, er selbst hatte sie geschaffen.
»Verharrt über der Burg«, flüsterte Aschure, und das
Mondlicht verweilte dort.
Adamon beobachtete sie und sah, wie sie tief atmete
und die Augen schloß. Die Göttin war am Ziel angelangt.
Mut und Kühnheit wünsche ich Euch, Aschure, und
viel Glück, mein Lieb.
Die Eisfestung wurde in Mondlicht gebadet, und die
Strahlen drangen durch Flure, Hallen und Gemächer. Die
Greifen stöhnten und seufzten im Schlaf. Und auch sie
hatten den Traum.
Gorgrael rutschte in seinem Sessel hin und her. Er war
noch wach, aber zu matt, um sich zu erheben und sich
auf seine Matte vor dem Kamin zu legen. Murmelnd und
wispernd hockte er da … bis auch ihn der Traum umfing.
Und es erschien ihm ein weißes Licht von solcher
Reinheit, daß er fast aufgestöhnt hätte. Das wunderschöne Strahlen rief ihn leise: »Liebster? Liebster? Liebster?«
»Ja«, antwortete er. »Hier bin ich.«
Tief im Schlaf versunken machten sich Zehntausende
von Greifen auf den Weg durch die Gänge und Flure der
Eisfestung und suchten ihren Liebsten.
Aschure legte den Kopf in den Nacken und stöhnte aus
tiefster Kehle. Adamon beugte sich vor und sandte ihr bis
auf seinen letzten Lebensfunken alles, was an Kraft in
ihm steckte.
Nur Mut, mein Liebling.
Und den faßte die Jägerin jetzt.
Aus höchster Höhe betrachtete sie die Festung. Dann
streckte sie ihre geistigen Fühler aus. Suchte … suchte …
und fand den winzigen Herzschlag, dessen Widerhall
vom Mondstrahl zu ihr herangetragen wurde.
Dieses Herz kannte Aschure beinahe besser als ihr eigenes. Hatte es nicht über acht Monate in ihrem Leib
geschlagen? Hatte sie es nicht nach der schweren Geburt
über ein Jahr an ihrer Brust schlagen hören?
Aschure zitterte leicht, als sie es hörte.
Sie stöhnte und sehnte sich nach ihm.
Und sie griff mit ihrem geistigen Finger danach, nutzte
es wie einen Anker, an dem sie sich in die Eisfestung zog.

Und mit dem Schlagen des Herzens war die Jägerin
mit einem Mal vom Turm in Sigholt verschwunden, und
Adamon schrie erschrocken auf.
Aschure stieg an dem Mondstrahl hinab und folgte
dem Herzklopfen ihres Sohnes, um ihn selbst zu erreichen.
Gorgrael träumte derweil von einer so ausgesucht
schönen Frau, daß er unwillkürlich schneller atmete und
leise stöhnte. Sie wandelte durch die Gänge seiner Eisfestung, streckte die Arme aus, öffnete verlangend den
Mund und kam ihm immer näher.
Aschure bewegte sich durch die Träume aller Schläfer
im weiten Land. Viele riefen ihren Namen, andere bewegten nur den Mund, weil sie sie nicht kannten. Aber
alle sehnten sich nach ihr und wollten sie berühren.
Doch nur in einem Heim hielt die Jägerin sich tatsächlich auf.
Gorgrael stöhnte lauter und wand sich in seinem Sessel. Nie zuvor war es ihm vergönnt gewesen, eine nackte
Frau zu sehen; und nie war ihm in den Sinn gekommen,
daß eine nackte Frau ihn so sehr zu erregen vermöchte.
Die Gefühle, die in ihm entstanden, waren es wert, genossen zu werden!
Sein Blut rauschte im Takt der Gezeiten, die in Ebbe
und Flut ihre Wellen gegen das Gestade des nördlichen
Eiskaps warfen.
Des Zerstörers Krallenhände zogen sich im Rhythmus
der Wogen um die Lehnen seines Sessels zusammen.
Und immer näher kam die schöne Unbekannte. Sie

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