Die Gouvernante und ihr geliebtes Ungeheuer („Geliebte Widersacher“) (German Edition)
waren blau – eisblau.
Ein vertrautes Eisblau. Robert sah jeden Tag Augen in dieser Farbe – im Spiegel.
„Ich weiß, wer du bist“, erklärte Marshall verächtlich. „Du bist mein Bruder.“
Robert hatte immer gedacht, dass es albern klang, wenn es in Geschichten hieß, plötzlich sei für jemanden die Welt auf den Kopf gestellt worden. Aber es gab keinen anderen Weg zu beschreiben, was geschah. Die Worte des anderen trafen ihn mit der Wucht einer Kanonenkugel, brachen krachend durch alles, was er bislang für wahr gehalten hatte.
„Du kannst nicht mein Bruder sein.“
Aber er erinnerte sich nur zu deutlich an das Bersten von Porzellan, das Schreien seiner Mutter. Wüstling! Hurensohn!
Wüstling. Marshall hatte Roberts Augen. Er hatte die Augen seines Vaters.
Marshall schniefte und wischte sich mit dem Handrücken über die Nase. „Erzählen deine Eltern dir denn gar nichts?“
„Nein!“ Er war sich nicht sicher, ob das eine Antwort oder ein Leugnen war. Und der andere Junge hatte das so sachlich und so überzeugt geäußert – als seien seine Eltern eine Einheit, die sich tatsächlich mit einem Jungen hinsetzten und mit ihm redeten.
In Roberts Kopf drehte sich alles. „Wie kannst du mein Bruder sein, wenn dein Vater Hugo Marshall ist?“
Der andere Junge spuckte erneut zu Boden, antwortete nicht.
Das musste er auch nicht. Robert hatte nur eine sehr vage Vorstellung davon, was einen zu einem Wüstling machte – Glücksspiel, Trinken und Frauenzimmer schwängern. Er hatte nie darüber nachgedacht, dass Frauen, die geschwängert wurden, irgendwann auch ein Kind bekamen.
Der andere Junge tat das alles mit einem Achselzucken ab.
Fünfhundert Tage allein auf Wiesen gespielt und dabei hatte er einen Bruder? Es war nicht nur seine Mutter und sein Vater, die kaputt waren. Er selbst war es auch. Robert dachte an Seife, die zu Lehm wurde, an Raufereien und an Marshalls Auge, das bis morgen früh blau sein würde.
Er dachte an die drei Jungen, die sich mit ihm geprügelt hatten, als Robert hinzugekommen war. Sie hatten sich so unritterlich verhalten, weil Robert sie dazu ermutigt hatte.
Selbst wenn dieser Junge nicht sein Bruder war, war Robert der Schurke in diesem Stück. Und wenn es stimmte, was Marshall behauptete …
Robert war der Schuft, der Lump, der verdammte Bastard. Nichts würde je wieder gut enden. Es sei denn …
Manche Entscheidungen waren am Ende gar nicht so schwer zu fällen. „Schlag mich“, sagte er drängend und so leise, dass die anderen ihn nicht hören konnten. „Schlag fest zu, so dass ich zu Boden gehe.“
Marshall zögerte nicht einmal. Er trat vor und schlug Robert mit der Faust auf die Nase. Robert musste nicht nachhelfen, dass er zu Boden sank; seine Beine gaben ganz von alleine unter ihm nach. Als er sich schließlich aufrappelte, lief ihm Blut aus der Nase. Er wischte es weg und erhob sich auf die Füße.
„Hast du das wirklich nicht gewusst?“, fragte Marshall ihn.
Er hatte den Hieb mit seiner linken Hand geführt.
„Hast du mit deiner Rechten nicht mehr Kraft?“, wollte Robert wissen.
Marshall reckte das Kinn. „Ich kann mit beiden fest genug zuschlagen.“
„Weil ich auch Linkshänder bin. Du hast mich gerade niedergeschlagen, und ich habe das anerkannt. Jetzt müssten sie dich in Ruhe lassen. Danach dürfte es keinen Ärger mehr geben.“ Er plapperte. Vorsichtig streckte er seine Hand aus – die linke. „Pax?“
Der andere Junge starrte ihn einen Moment lang an. Schließlich hielt er ihm seine linke Hand hin. „Pax“, stimmte er zu. „Aber wenn du den Frieden brichst, dann breche ich dich.“
„Nun“, sagte Sebastian, der von hinten zu ihnen kam. „Das verspricht jedenfalls interessant zu werden.“
Danke
Danke, dass Sie „Die Gouvernante und ihr geliebtes Ungeheuer“ gelesen haben. Ich hoffe, es hat Ihnen Spaß gemacht.
• Dieses Buch ist eine Vorgeschichte zur Serie „Geliebte Widersacher“. Das nächste Buch erscheint im Jahr 2013 unter den Titel „Der Herzog und seine geliebte Feindin“. Möchten Sie gerne wissen, genau wann es auf Deutsch erscheint? Schreiben Sie sich unter http://www.courtneymilan.com/deutschland in meine Mailingliste ein.
• Rezensionen helfen anderen Lesern, gute Bücher zu finden. Ziehen Sie daher bitte in Betracht, eine solche abzugeben.
• Sie können auch Follower von mir werden unter Twitter @courtneymilan oder den „Gefällt mir“-Button auf meiner Facebook-Seite unter
Weitere Kostenlose Bücher