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Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2

Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2

Titel: Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Ashton Smith
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Schlaf oftmals kennzeichnend ist. Ich erinnere mich an den Wind, der gegen Mitternacht über uns heulte und mir bis ins Mark fuhr; natürlich auch an den Sand, der mir wie feiner Hagel ins Gesicht peitschte, während der Wind ihn auf seinem Flug über unvordenkliche Wüsten mit sich trug. Ebenso entsinne ich mich der reglosen, starr am Nachthimmel stehenden Sterne, die jener Schleier aus uraltem Wüstenstaub vorübergehend verdunkelte. Dann war der Sturm vorüber und ich sank wieder in einen Schlaf, aus dem ich von Zeit zu Zeit benommen auffuhr. In einem dieser halb wachen Zustände gewahrte ich schließlich, dass nunmehr die kleinen Zwillingsmonde, Phobos und Deimos, aufgestiegen waren und ihr Schein den Ruinen riesige, geisterhafte Schatten entlockte – und dass er die eingemummten Umrisse meiner Gefährten mit einem fahlen Glutschein überzog.
    Offenbar schwebte ich zwischen Schlafen und Wachen, denn die Erinnerung an das, was ich sah, ist ungewiss, so wie es Träume nun einmal an sich haben. Unter bleischweren Lidern hervor beobachtete ich die winzigen Monde, die jetzt hoch über den dachlosen, dreikantigen Türmen standen … und ich erblickte die lang ausgreifenden Schatten, die beinah die Körper meiner schlummernden Berufskollegen berührten.
    Die ganze Szenerie war reg- und lautlos, wie versteinert. Keiner der Schlafenden rührte ein Glied. Dann, als meine Lider bereits zufallen wollten, gewahrte ich eine Bewegung im eisigen Zwielicht. Ja, es schien mir, als habe ein Teil des vordersten Schattens sich selbstständig gemacht und krieche nun auf Octave zu, der sich näher bei den Ruinen zur Ruhe gelegt hatte als wir Übrigen.
    Sogar in meinem lethargischen Zustand überkam mich ein Gefühl der Bedrohung durch etwas Unnatürliches, wenn nicht gar Unheilvolles. Benommen stemmte ich mich in eine sitzende Position empor – und noch während ich mich aufrichtete, zog sich das schattenhafte Objekt, was immer es auch sein mochte, zurück und verschmolz wieder mit dem Mutterschatten. Dieses Verschwinden bewirkte, dass ich plötzlich hellwach war – und doch konnte ich mir keineswegs sicher sein, dass ich jenes Gebilde auch wirklich gesehen hatte. Doch schien mir jener letzte, flüchtige und kurze Blick etwas gezeigt zu haben, das einem beinahe runden Stoff- oder Lederlappen glich, dunkel und verschrumpelt, mit einem Durchmesser nahe an die 40 Zentimeter, das sich in der eigentümlichen Art einer Spannerraupe fortbewegte, indem es sich abwechselnd bog und wieder dehnte, während es über den Boden kroch.
    Danach konnte ich beinahe eine volle Stunde lang nicht mehr einschlafen. Wäre es nicht so klirrend kalt gewesen, hätte ich mich bestimmt erhoben, um der Sache nachzugehen und mich zu vergewissern, ob ich ein derart bizarres Objekt in der Realität oder doch nur im Traum erblickt hatte. Ich lag da und starrte zu dem undurchdringlichen, tiefschwarzen Schatten hinüber, in dem es verschwunden war, während wechselnde Reigen fantastischer Mutmaßungen als eine groteske Prozession durch meinen Geist gaukelten. Doch obwohl ich mich inzwischen vage beunruhigt fühlte, war ich mir noch immer keiner echten Furcht oder Vorahnung möglicher Gefahr bewusst. Mit der Zeit redete ich mir selbst ein, dass jenes Ding allzu unwahrscheinlich, allzu unwirklich war, um mehr darzustellen als eine Traumausgeburt. So dämmerte ich schließlich doch noch in einen leichten Schlummer hinüber.
    Das eisige, dämonische Seufzen des Jaar, der über die zerklüfteten Mauern heranfegte, weckte mich auf, und ich sah, dass jetzt in den fahlen Mondschein das erste Grau der aufziehenden Morgendämmerung sickerte. Wir alle schälten uns aus unseren Schlafsäcken und machten uns mit Fingern, die trotz der Wärme der Spiritusbrenner steif und gefühllos waren, an die Zubereitung des Frühstücks. Fröstelnd aßen wir, indes die Sonne über dem Horizont anstieg wie der hochfliegende Ball eines Jongleurs. Gewaltig, kahl und ohne eine Abstufung von Licht und Schatten wuchsen die Ruinen im fahlen Frühlicht vor uns empor gleich den Gebeinhäusern vorzeitlicher Riesen, überkommen aus nachtzerfressenen Äonen, um dem letzten Morgengrauen eines erlöschenden Gestirns zu trotzen.
    Meine eigenartige nächtliche Wahrnehmung kam mir nun mehr denn je einem Traum entsprungen und unwirklich vor. So gedachte ich ihrer nur flüchtig und verlor vor den anderen kein Wort darüber. Doch ebenso wie die blassen, verzerrten Schatten des Schlafes oftmals die wachen Stunden

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