Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2
Äquators begegnet waren. Anscheinend brauchte man hier nichts von ihnen zu befürchten. Nie sprach in diesem Idealreich jemand mit Alvor über Religion, und im Grunde erfuhr er eigentlich gar nicht, ob es in Omanorion überhaupt so etwas wie Götter oder Göttinnen gab. Bei dem Gedanken an seine Qualen bei der Inquisition der Kosmischen Mutter verspürte er auch nicht die geringste Lust, dieses Thema von sich aus anzuschneiden.
Alvor machte rasche Fortschritte in der Sprache Omanorions, da die Kaiserin ihn persönlich unterrichtete. Er erfuhr mehr und mehr über ihre Vorstellungen und die Dinge, die sie mochte – über ihre romantische Vorliebe für den dreifachen Mond und ihre Liebe zu den merkwürdigen Blumen, die sie mit so viel Sorgfalt und Hingabe pflegte. Diese Blüten waren in ganz Satabbor eine Seltenheit. Bei einigen handelte es sich um Anemonen, die von den Gipfeln nahezu unzugänglicher, mehrere Tausend Meter hoher Berge stammten, andere waren ungleich bizarrer geformt als Orchideen und stammten zumeist aus den entsetzlichen Urwäldern nahe dem Südpol.
Schon bald genoss er die Ehre, Ambialas Spiel auf einem landesüblichen Instrument zu lauschen, das die charakteristischen Eigenschaften sowohl der Flöte als auch der Laute miteinander vereinte. Eines Tages schließlich, als er die Sprache ausreichend beherrschte, um auch einige ihrer Feinheiten zu verstehen, las sie ihm von einer Rolle Pflanzenpergament eines ihrer Gedichte vor, eine Ode an einen von den Bewohnern Omanorions Atana getauften Stern. Die Ode war in der Tat ausnehmend schön, voll erlesener poetischer Bilder, und brachte ein halb ironisches, sich seiner Unerfüllbarkeit wehmütig bewusstes Verlangen nach den jenseits des Weltraums gelegenen Reichen Atanas zum Ausdruck.
Sie schloss mit den Worten: »Ich liebe Atana seit jeher, weil es so klein ist und so weit entfernt.«
Als er sie danach fragte, erfuhr Alvor zu seinem grenzenlosen Erstaunen, dass Atana mit einem winzigen Stern identisch war, den man in Ulphalor Arot nannte. Vizaphmal hatte ihm einst erklärt, dass es sich dabei um die Sonne seiner Welt, der Erde, handele. Dieser Himmelskörper war nur in dem seltenen Fall zu sehen, wenn alle drei Monde zugleich verfinstert waren, und selbst dann benötigte man sehr gute Augen.
Als der Dichter Ambiala diese Bruchstücke astronomischen Wissens mitteilte, nämlich dass es sich dabei um die Sonne seines Heimatplaneten handelte, und er ihr von seiner Ode an Antares erzählte, ereignete sich etwas Ergreifendes. Die Kaiserin schloss ihn in ihre fünf Arme und rief aus:
»Spürst du denn nicht, so wie ich, dass wir füreinander bestimmt sind?«
Obwohl Ambialas so offen zur Schau gestellte Zuneigung Alvor ein wenig aus der Fassung brachte, kam er nicht umhin, ihr zuzustimmen. So unterschiedlich sie beide auch sein mochten, waren sie doch überwältigt von der Übereinstimmung, die sich aus diesem Vergleich ihrer lyrischen Notizen ergab. Von Stund an herrschte ein tiefes Verständnis zwischen ihnen, wie man es selbst bei Wesen gleicher Abstammung nur selten antrifft. Und schon bald begann Alvor auch Gefallen an Ambialas äußeren Reizen zu finden, die ihm bis dahin, um der Wahrheit die Ehre zu geben, nicht allzu verlockend erschienen waren. Bei näherer Betrachtung hingegen waren ihre fünf Arme, drei Beine und drei Augen letztlich nichts anderes als ein bisschen zu viel an anatomischen Merkmalen, welche die irdische Liebe keinesfalls gering schätzte. Und ihr schillernder Teint – nun, dieser war in seinen Augen wesentlich bezaubernder als die absonderlichen Schattierungen, welche auf der Erde in zahllosen modernistischen Gemälden viele Frauengestalten zierten.
Als in Lompior bekannt wurde, dass Alvor Ambialas Liebhaber war, schien niemand sonderlich überrascht davon zu sein oder brachte gar Bedenken vor. Zweifellos war die Bevölkerung, insbesondere die männlichen Alphads, die der Kaiserin vergebens den Hof gemacht hatten, der Ansicht, ihr Geschmack sei äußerst seltsam, geradezu exzentrisch. Doch niemand sagte etwas. Schließlich war es ihr Techtelmechtel und damit musste sie allein zurechtkommen. Allem Anschein nach beherrschten die Einwohner Omanorions die zivilisierteste aller Künste – nämlich die, ihre Nase nicht in fremde Angelegenheiten zu stecken.
Der Brief aus Mohaun Los
Manch einer, der diese Erzählung liest, wird sich zweifellos noch an das Verschwinden des exzentrischen Millionärs Domitian Malgraff und seines
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