Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2
Lederriemen um seine Knöchel und Handgelenke an einer der scharfen Klingen des Fünfzacks durchzuwetzen.
Mit der Waffe in der Hand, die er vielleicht noch brauchen konnte, machte er sich daran, die unterirdische Treppe zu erklimmen. Gesteinstrümmer blockierten die Stufen, in manchen der Absätze und Treppenfluchten klafften, ebenso wie in den Wänden, gewaltige Risse; es war keineswegs leicht, von dort wegzukommen. Als er oben anlangte, stellte er fest, dass das gesamte Gebäude nur noch aus einem Haufen eingestürzter Mauern bestand, in dessen Mitte sich ein großes Loch auftat, aus dem eine Rauchsäule emporstieg. Ein riesiger Meteor war eingeschlagen und hatte ausgerechnet die Inquisition der Kosmischen Mutter getroffen.
In seiner derzeitigen Verfassung wusste Alvor diese Ironie des Schicksals nicht zu schätzen, aber wenigstens begriff er, dass darin seine Chance auf Freiheit lag. Die einzigen weit und breit noch zu sehenden Inquisitoren lagen zerschmettert am Boden, eingequetscht unter riesigen, herabgestürzten Ziegelquadern, und nur noch ihre Köpfe beziehungsweise Füße ragten darunter hervor. Also verlor Alvor keine Zeit und machte sich aus dem Staub.
Mittlerweile war es Nacht geworden und lediglich einer der drei Monde stand am Himmel. Alvor machte sich auf den Weg durch die ebene, unbewohnte Wüstenzone im Süden Sarpouloms, in der Absicht, die Grenzen Ulphalors hinter sich zu lassen und in eines der unabhängigen Königreiche zu gelangen, die unterhalb des Äquators lagen. Er entsann sich, dass Vizaphmal ihm einmal erzählt hatte, dass die Menschen dort aufgeklärter und nicht so von Priestern verhetzt waren wie in Ulphalor.
Wie benommen, teilweise schon halb verwirrt, wanderte er die ganze Nacht hindurch. Die Schmerzen in seinen angeschwollenen Gliedmaßen wurden schlimmer und er fieberte. Die mondbeschienene Ebene vor ihm schien hin und her zu wanken, auf und ab, endlos erstreckte sie sich vor ihm wie die Landschaft eines Haschischtraums. Nach einer Weile gingen die beiden anderen Monde auf, und in seinem überspannten Zustand vermochte er nicht zu sagen, wie viele es nun tatsächlich waren. Jedenfalls schienen es stets mehr als nur drei zu sein, und das ließ ihm keine Ruhe. Stunde um Stunde sann er über dieses Problem nach, während er weitertaumelte, bis er schließlich kurz vor Morgengrauen vollends ins Delirium sank.
Später konnte er sich nicht einmal mehr daran erinnern, wie er den Weg fortgesetzt hatte. Irgendetwas zwang ihn dazu weiterzugehen, selbst als er am Ende seiner Kräfte war und nichts mehr um sich herum wahrnahm. Er bekam nichts mit von der Ödnis und der grässlichen Wüste, durch die er stolperte, zunächst stundenlang im rubinroten Schein der Morgendämmerung, später unter einer Sonne, die wie ein Glutofen herabbrannte; ihm war auch nicht bewusst, dass er bei Sonnenuntergang, noch immer den Fünfzack eines toten Inquisitors in der Hand, den Äquator überquerte und nach Omanorion gelangte, ins Reich der Kaiserin Ambiala.
Als Alvor wieder zu sich kam, war es Nacht und er hatte nicht die geringste Ahnung, wie viele satabborianische Tage vergangen sein mochten, seit er völlig erschöpft an der Grenze Omanorions bewusstlos zusammengebrochen war. Ja, er erfasste noch nicht einmal eindeutig, dass es sich nicht mehr um jene Nacht handelte, in der er die Flucht vor der Inquisition der Kosmischen Mutter ergriffen hatte. Der sanfte, rosige Glanz der drei Monde schien ihm direkt ins Gesicht, aber er vermochte nicht zu sagen, ob sie nun auf- oder untergingen.
Jedenfalls lag er auf einem äußerst bequemen Sofa, das nicht ganz so irritierend hoch und lang wie jenes war, auf dem er sich nach seiner Ankunft in Ulphalor wiedergefunden hatte. Er befand sich in einem offenen Pavillon, der zugleich eine Laube voller vielfältiger, grotesker und doch auf seltsame Weise wunderschöner Blüten war, die sich ihm von an Säulen emporwindenden Ranken oder aus den merkwürdigen, überall auf dem Boden herumstehenden Metalltöpfen entgegenneigten. Die Luft, die er einatmete, war ein Gemisch aus Düften, die allesamt weit exotischer als Wachsblume oder Tempelbaum waren. Sie rochen verschwenderisch süß und würzig, dennoch fand er sie nicht im Geringsten aufdringlich. Vielmehr verstärkten sie noch die tiefe, angenehme Mattigkeit all seiner Empfindungen.
Als er die Augen aufschlug und sich auf seinem Sofa rekelte, kam ein weiblicher Alphad hinter den Blumentöpfen hervor und sprach ihn an. Sie
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