Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2
gemeißelt schienen, der auch für die schweren, überschatteten Augenlider behauen worden war.
Die meisten Hagdons waren füllig, blühend und rotwangig; doch durch diese beiden Abkömmlinge des Geschlechts hatte sich über die Jahrhunderte hinweg eine dunklere Erblinie fortgepflanzt. Der deutlichste Unterschied lag im Gesichtsausdruck. Denn die Miene des ersten Sir Roderick war die eines Mannes, der sich mit leidenschaftlicher Hingabe allem Bösen und Verdorbenen verschrieben hatte; der aufgrund eines ihm ureigenen, unentrinnbaren Schicksals zur Verdammung verurteilt war.
Sir Roderick starrte mit einer Faszination auf das Bild, die teils von Entsetzen herrührte und teils von Gefühlsregungen, die er nicht hätte dingfest machen können. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Frau und ein stürmischer Aufruhr bemächtigte sich seiner angesichts der finster lächelnden Lippen und der unheilvollen Rundung der lieblichen Wangen. Auch sie war böse und ihre Schönheit war die Schönheit der Lilith. Sie glich einer Blume mit purpurroten Lippen und mit einem Duft nach Honig, die am Abgrund der Hölle blüht. Doch wusste Sir Roderick mit der angstvollen Verzückung eines Menschen, der sich danach sehnt, von einem Felshang hinabzuspringen, dass dies die Frau war, die er hätte lieben können, wenn er sie denn gekannt hätte. Dann erschien es ihm in einem Augenblick haltloser, schwindelnder Verwirrung, dass er sie gekannt und geliebt hatte, obschon er keine Erinnerung daran besaß, wann oder wo.
Das gespenstische Gefühl der Verwirrtheit verging und Sir Roderick begab sich an die Untersuchung der messingbeschlagenen Bücher. Sie waren in einem barbarisch degenerierten Latein abgefasst und widmeten sich hauptsächlich den Methoden und Anrufungsformeln zur Beschwörung von Dämonen wie Acheront, Amaimon, Asmodi und Ashtoreth sowie unzähligen weiteren. Sir Roderick erschauderte angesichts der sonderbaren Zeichnungen, mit denen sie illustriert waren; doch hielt er sich nicht lange mit den Bänden auf. Stattdessen nahm er mit der angstvollen Erregung eines Menschen, der im Begriff steht, einen furchtbaren und unheiligen Ort zu betreten, das Manuskript aus vergilbtem Pergament zur Hand.
Es war am späten Nachmittag, als er zu lesen begann, der Schein der Abendsonne brach in staubigen, bernsteingelben Strahlen durch die niedrigen Fenster der Bibliothek. Während er Manuskriptbogen um Manuskriptbogen umblätterte, achtete er nicht auf das allmähliche Schwinden des Lichtes – und die letzten gelesenen Worte standen so deutlich vor seinem Blick wie Flammenrunen, als er seine Lektüre im Halbdunkel beendete. Er schloss die Augen, doch konnte er die Worte immer noch sehen:
Und darnach ward Sir Roderick Hagdonne als ein gar ruchloser Hexen=Meister angesehn, wie auch sein Eheweib Elinore als eine abscheuliche Hexerin … und sind allbeide auf dem Dorfanger zu Hagdonne lebendiglich verbrennet worden zur Sühne für dero Frevel wider GOtt und die Menschen. Und wurden dero hexerische Werke und Bräuche als eine solche Befleckung des edlen Ritter=Stands von Engelland erachtet, dass kein Mensch davon redet und keine Großmutter die Geschicht den Kinderlein erzählet, so auf ihrem Schooße sitzen. Soll also mit GOttes Gnaden die Erinnrung an dergleichen Verderbniß glücklich vergessen werden, denn von wahrem Übel wäre es, würde Solches im Gedächtniß bewahret bleiben.
Dann stieß er am unteren Rand des Blatts auf eine kurze, rätselhafte Fußnote, die in flüssigerer Handschrift abgefasst war als der Rest:
Und waren unter der Menge Volkes Manche, welche glaubten gesehn zu haben, wie Sir Roderick aus den Flammen verschwunden, als sie am Höchsten auff=loderten. Und dies, sofern es die Wahrheit sey, ist das abscheulichste Documentum für seinen Pactum und Umgang mit dem Ertz=Feinde.
Lange saß Sir Roderick in der zunehmenden Dämmerung da. Der biografische Bericht, den er eben gelesen hatte, war ihm seltsam nahegegangen, hatte ihn tief bestürzt und aufgewühlt – ein Bericht, der von unbekannter Hand in einem verflossenen Jahrhundert abgefasst worden war. Sicher war es für niemanden erbaulich, in den genealogischen Archiven der eigenen Familie auf solch eine grässliche Geschichte zu stoßen. Doch reichte der Umstand, dass diese Schilderung den ersten Sir Roderick und seine Lady Elinor betraf, kaum aus, um den seelischen Aufruhr und das Grauen zu erklären, in die sie deren Nachfahren gestürzt hatten.
Auf eine
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