Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2
geschildert wurden – doch wurde er sich dessen nur in langen Abständen bewusst, und auch dann nur vage. So vollständig war er in den Verlauf der Geschichte eingetaucht (so als hätte er aus jenem Fluss des Vergessens getrunken, der allein es gewährt, ein zweites Mal zu leben), dass keine Vorausahnung einer Zukunft ihn anfocht, die jenem Sir Roderick bekannt war, der in der Bibliothek saß und abermals ein altes Manuskript durchforstete. Genau so, wie es geschrieben stand, kehrte er von der Heide nach Hagdon Hall zurück und trug in seinem Herzen das Bild einer schönen Fremden. Er zog Erkundigungen über sie ein und brachte in Erfahrung, dass sie die Tochter von Sir John D’Avenant war. Man hatte ihn erst vor Kurzem als Lohn für diplomatische Dienste in den Ritterstand erhoben und er bewohnte nunmehr den Besitz, der zu seinem Titel gehörte. Für Sir Roderick ergab sich daraus ein doppelter Anlass, bei seinen neuen Nachbarn vorstellig zu werden, und sein Antrittsbesuch wurde schon bald erwidert. Er hielt nun offen um die Hand von Elinor D’Avenant an und nach mehrmonatiger Brautwerbung wurde sie seine Frau.
Die leidenschaftliche Liebe, die sie in ihm entfacht hatte, wurde durch ihr eheliches Leben nur noch vertieft. Ihre Anziehung hatte stets dem Reiz des nur halb Begreifbaren geglichen, dem Reiz bedeutsamer Offenbarungen, die immer nur halb enthüllt werden. Sie schien seine Liebe aufrichtig zu erwidern – und doch blieben ihr Herz und ihre Seele ihm stets fremd, waren stets genauso geheimnisvoll und exotisch, wie es der erste Anblick ihres Gesichts für ihn gewesen war. Vielleicht liebte er sie deswegen nur umso mehr. Sie waren glücklich miteinander und sie gebar ihm einen Erben, dem sie den Namen Ralph gaben.
In jenem anderen Leben kam jetzt der Sir Roderick, welcher mit dem Manuskript in der alten Bibliothek saß, bei der Lektüre an die folgende Stelle:
Kein Mensch wusst, wie es zuging. Doch bißweilen erhob sich angstvolles Gewisper und übles Gerücht über die Lady Elinor; und das Volk munckelte, sie wär eine Hexerin. Und endlich traf solcherlei Gerücht auff Sir Rodericks Ohr.
Ein Grauen überschattete den Glückstraum – ein Grauen, das sich in diesem modernen Zeitalter nur schwer begreifen lässt. Gestaltlose Schwingen des Bösen senkten sich nieder auf Hagdon Hall und die Atemluft selbst wurde von hässlichen Gerüchten vergiftet. Tag für Tag und Nacht für Nacht quälte sich der Baronet mit einem niederträchtigen, gottlosen Verdacht gegen die Frau, die er liebte. Er beobachtete sie mit angstvoller Beklommenheit; mit Augen, die vor der Entdeckung einer neuen und unheilvolleren Bedeutung hinter ihrer eigenartigen Schönheit zurückschreckten. Schließlich, als er es nicht mehr länger ertrug, bezichtigte er sie der ruchlosen Dinge, die ihm zu Ohren gekommen waren – denn er hoffte, sie würde die Anschuldigungen leugnen und ihm durch die Zurückweisung seines Verdachts sein früheres Vertrauen und seinen Seelenfrieden zurückgeben.
Zu seiner maßlosen Bestürzung lachte ihm die Lady Elinor mit einer milden, sirenenhaften Belustigung ins Gesicht und gab offen zu, dass die Anschuldigungen der Wahrheit entsprachen.
»Und ich glaube fest daran«, fügte sie hinzu, »dass du mich zu sehr liebst, um mich zu verstoßen oder zu verraten. Ja, dass du, falls nötig, um meinetwillen ein rechter Hexenmeister werden wirst, so wie ich meinerseits eine Hexe bin, und mit mir die höllischen Freuden des Sabbats teilst.«
Sir Roderick bat, er schmeichelte, er forderte, er drohte – doch sie antwortete ihm stets mit lüsternem Lachen und verführendem Lächeln. Und stets malte sie ihm die Freuden und die Vorrechte aus, in deren Genuss man nur auf dem Weg der Verdammnis gelangt, durch den gefahrvollen Beistand von Dämonen und Sukkuben. Bis schließlich Sir Roderick sich in seiner grenzenlosen Liebe zu ihr, genau wie sie vorhergesagt hatte, bereit erklärte, in die schwarzen Künste eingeweiht zu werden. So schloss er seinen eigenen Pakt mit dem Bösen – auf dass er immerdar und in allem vereint wäre mit jener, die er so innig liebte.
Es war eine Ära dunkler Glaubensvorstellungen und von Gepflogenheiten, die nicht minder finster waren. Und im ganzen Land und in allen Gesellschaftsschichten gediehen Hexenkünste und Schwarze Magie. Doch in der liliengleichen Elinor schlummerte eine seelenlose Verderbtheit, die noch alles übertraf. Verführt von ihrer Liebe, ließ sich der unselige Sir Roderick in
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