Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2
Niederungen hinabziehen, aus denen es kein Auftauchen mehr geben konnte. Er verpfändete seine Seele und seinen Geist und seinen Leib dem Teufel. Er erfuhr, welch üblen Gebrauch man von einer nach einem lebenden Vorbild gefertigten Wachspuppe machen konnte. Er erlernte die magischen Formeln, mittels derer man schreckliche Dinge aus ihren Pfühlen in den tiefsten Schlünden der Nacht heraufbeschwören oder die Toten zwingen kann, dem ruchlosen Willen von Nekromanten zu dienen. Und er wurde in Geheimnisse eingeweiht, die weder zu enthüllen noch auch nur anzudeuten erlaubt ist. Ferner machte er sich vertraut mit den Bannflüchen und Verwünschungen, die für mehr als sterbliches Fleisch allein den Tod bedeuten.
Und Hagdon Hall wurde zur Stätte pandämonischer Feste und zum Schauplatz von Riten, die ebenso obszön wie gotteslästerlich waren. Der Schrecken und die Schändlichkeit höllischer Dinge verbreiteten sich von dort aus über das gesamte Land. Und inmitten ihrer Gesellschaft der Verdammten, im Kreise der Hexen und der Hexenmeister und der Inkubi, die ihr huldigten, frohlockte die Lady Elinor ungeniert – und Sir Roderick war ihr Spießgesell bei jedem neuerlichen Frevel und jeder weiteren ruchlosen Tat. Und in diesem Dunstkreis der Entsetzlichkeiten, der satanischen Gräuel- und Schandtaten, blieb allein der kleine Ralph unbefleckt, da er noch zu jung war, um von derlei Dingen berührt zu werden. Dennoch erfüllte das Aufsehen um diese Vorgänge die Seelen der Menschen bald schon mit einem Grauen, das jedes erträgliche Maß überschritt. Und die Einwohner von Hagdon riefen die Macht des Gesetzes, das Hexerei als Kapitalverbrechen ahndete, um Hilfe an.
Es war keineswegs ungewöhnlich, dass Angehörige des Adels aufgrund derartiger Vorwürfe vor ein weltliches oder kirchliches Gericht gestellt wurden. Gerichtsverhandlungen dieser Art, deren Anklagepunkte oft auf schwachen Füßen standen oder reiner Missgunst entsprangen, hatten sich zuweilen lange hingezogen. Doch diesmal herrschte eine so einmütige Überzeugung von der Schuld der Angeklagten, und der Abscheu darüber saß so tief, dass ihnen ein kurzer und summarischer Prozess gemacht wurde. Sie wurden zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt und die Vollstreckung des Urteils auf den nächsten Tag festgesetzt.
An einem feuchtkalten Herbstmorgen wurden Sir Roderick und Lady Elinore zum Richtplatz geführt und jeder der beiden wurde, einen Haufen trockener Reisigbündel zu Füßen, an den für ihn bestimmten Pfahl gebunden. Die Fesselung erfolgte so, dass sie einander zugewandt waren, damit sie nicht nur die eigene Todesqual erlitten, sondern zugleich gezwungen wären, die des jeweils anderen in jeder Einzelheit mit anzusehen.
Um sie herum war eine dicht gedrängte Volksmenge versammelt, die den gesamten Dorfanger ausfüllte – eine Volksmenge, deren furchtbares Schweigen von keinem Aufschrei oder Murren unterbrochen wurde. Das Grauen, das diese beiden ruchlosen Menschen verbreiteten, rührte so tief, dass selbst in der Stunde ihres Untergangs niemand wagte, sie zu verfluchen oder über sie zu spotten. Sir Rodericks Hirn war gelähmt von der Schande und der Scham und der Schrecklichkeit seiner Lage, von der Erkenntnis der abgrundtiefen Niederungen, in die er hinabgesunken war, und der schrecklichen Verdammnis, die ihn nun erwartete. Er sah seine Frau an und dachte daran zurück, wie sie ihn aufgrund der übermächtigen Liebe, die er für sie empfand, von einer Freveltat zur nächsten gelockt hatte … Und dann dachte er an die furchtbaren, sengenden Schmerzen, unter denen ihr zarter Leib sich krümmen würde – und beim Gedanken daran vergaß er sein eigenes Schicksal.
Dann entsann er sich vage und unbestimmt, dass irgendwo in einem anderen Jahrhundert ein anderer Sir Roderick in einer Bibliothek saß und all dies aus einem alten Manuskript erfuhr. Wenn er nur den nekromantischen Bann der Erzählung durchbrechen und wieder eins werden könnte mit jenem späteren Sir Roderick, so würde dies seine Errettung vor der flammenden Verdammnis bedeuten, die ihm drohte. Wenn er aber den Bann nicht würde lösen können, so wäre ihm die Vernichtung sicher. Ganz so wie ja angeblich ein Mensch, der im Traum aus großer Höhe hinabstürzt und das Ende des Sturzes und den Aufschlag auf den Boden träumt, dadurch umkommt.
Wieder sah er zur Lady Elinor hin und ihre Blicke trafen sich. Über ihre Fesseln und Reisigbündel hinweg lächelte sie ihm mit all ihrer
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