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Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2

Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2

Titel: Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Ashton Smith
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deren einstmals künstliche Umrisse gleich denen der struppigen Eibenhecke zu weitaus bizarreren Formen verwilderten als die Schere des Heckengärtners sie ihnen hätte verleihen können.
    Der Nebel war einem kalten Nieselregen gewichen. In der Finsternis mehr tastend als sehend, stieß ich ein wenig abseits des Fensters, in dem das einsame Licht flackerte, auf eine dunkle Tür. Als Antwort auf mein hartnäckiges, dreimal wiederholtes Anklopfen vernahm ich schließlich den gedämpften Klang schleppender, schlurfender Schritte. Die Tür wurde mit einer Langsamkeit aufgezogen, die von Argwohn oder Widerwillen zu zeugen schien. Und dann stand ich einem alten Mann gegenüber, der einen Leuchter mit einer brennenden Wachskerze in der Hand hielt. Seine Finger zitterten aufgrund von Alterslähmung oder Altersschwäche. Hinter ihm in der düsteren Diele flackerten monströse Schatten und streiften seine runzligen Gesichtszüge wie das Flattern unheilvoller, fledermausförmiger Schwingen.
    »Was wünschen der Herr?«, fragte er. Er sprach mit zittriger, unsicherer Stimme, aber sein Tonfall klang keinesfalls unwirsch und verriet auch nichts von dem Misstrauen oder der offenen Zurückweisung, für die ich mich insgeheim bereits gewappnet hatte. Dennoch hörte ich Zögerlichkeit oder Unschlüssigkeit heraus. Und als der alte Mann meinen Bericht der Umstände vernahm, die mich dazu veranlasst hatten, an seine einsame Tür zu pochen, bemerkte ich, dass er mich mit einem scharfen Blick musterte, der meinen ersten Eindruck fortgeschrittener Vergreisung Lügen strafte.
    »Mir war klar, dass Sie ein Fremder in dieser Gegend sind«, erklärte er, als ich zu Ende gesprochen hatte. »Doch dürfte ich Ihren Namen erfahren, mein Herr?«
    »Ich bin Henry Chaldane.«
    »Sind Sie nicht der Sohn von Mr. Arthur Chaldane?«
    Leicht verblüfft bestätigte ich die mir zugeschriebene Abstammung.
    »Sie sehen Ihrem Vater ähnlich, mein Herr. Mr. Chaldane und Sir John Tremoth waren enge Freunde damals, bevor Ihr Vater nach Kanada ging. Wollen Sie nicht eintreten, mein Herr? Dies ist Tremoth Hall. Sir John pflegt schon seit langer Zeit keine Gäste mehr zu empfangen. Aber ich werde ihm melden, dass Sie hier sind. Es kann sein, dass er Sie zu sehen wünscht.«
    Bestürzt – und nicht gerade angenehm überrascht angesichts der Mitteilung, an welchem Ort ich mich befand – folgte ich dem alten Mann in ein Arbeitszimmer voller Bücherregale, dessen Einrichtung von Luxus und von Vernachlässigung gleichermaßen zeugte. Hier entzündete er eine altmodische Öllampe mit einem bemalten Schirm, auf dem der Staub lastete, und ließ mich mit den noch staubigeren Büchern und Möbeln allein.
    Ich empfand eine eigentümliche Verlegenheit, fühlte mich fast als Eindringling, während ich im trübgelben Schein der Lampe abwartete. Jetzt kamen mir die Einzelheiten der merkwürdigen, grausigen, halb vergessenen Geschichte wieder in den Sinn, die ich in Kindertagen aus dem Mund meines Vaters vernommen hatte.
    Lady Agatha Tremoth, Sir Johns Gemahlin, erlitt im ersten Jahr ihrer Ehe Anfälle von Starrsucht. Der dritte Anfall führte scheinbar zum Tod, da die Kranke nach der üblichen Zeitspanne nicht wieder ins Leben zurückkehrte und alle Anzeichen von rigor mortis aufwies. Lady Agathas sterbliche Hülle wurde in die Gewölbe der Familiengruft gebettet, deren Alter und Ausdehnung ans Sagenhafte grenzten und die in den hinter dem Landsitz aufragenden Hügel hineingebaut worden waren. Am Tag nach der Beisetzung betrat Sir John, geplagt von einem eigenartigen, beharrlichen Zweifel bezüglich der Endgültigkeit der medizinischen Diagnose, die Gruft zum zweiten Mal. Er kam gerade im rechten Moment, um einen gellenden Schrei zu vernehmen und Lady Agatha zu erblicken, die sich in ihrem Sarg aufrichtete. Der Deckel, der auf den Sarg genagelt worden war, lag auf dem steinernen Fußboden. Es schien undenkbar, dass die Befreiungsversuche der geschwächten Frau ihn dorthin befördert hatten. Doch gab es keine andere glaubhafte Erklärung, zumal Lady Agatha nur wenig Erhellendes über die begleitenden Umstände ihrer ungewöhnlichen Wiederauferstehung beizutragen vermochte.
    Halb betäubt und fast wahnsinnig im Bann eines furchtbaren Grauens, das nur allzu verständlich war, berichtete sie unzusammenhängend von dem Erlebten. Sie schien nicht mehr zu wissen, wie sie sich aus dem Sarg freigekämpft hatte. Vor allem wurde sie von Erinnerungen an ein bleiches, abscheuerregendes,

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