Die Grabstein-Clique
furchtbar und für eine Frau wie Laurie Warren nicht nachvollziehbar.
Etwas Langes, Glitschiges, Dunkelrotes peitschte aus der Mundöffnung der Nonne hervor. Mit einem klatschenden Laut landete es auf der Stirn der Fahrerin, die zusammenschrak, aber sonst nichts tat und unbeweglich dasaß.
Sie spürte nur das Brennen auf der Haut. Noch immer starr bekam sie mit, wie diese widerliche Zunge den Weg nach unten fand und dabei die Sonnenbrille von der Nase riß. Laurie holte tief Luft. In dieses Geräusch hinein klang das Keuchen der Nonne. Und dann wanderte die Zunge. Sie glitt am Gesicht der Laurie Warren entlang nach unten, wischte klebrig über die Lippen hinweg, erreichte ihren Hals und drehte sich blitzschnell und zuckend.
Sie wurde noch länger, sie umfaßte ihren Hals und wickelte sich darum wie eine Henkerschlinge. Das raubte ihr die Luft.
Laurie durchflutete eine schreckliche Angst, sie konnte sich nicht wehren, aber sie wußte, daß sie in einer derartigen Klemme steckte, aus der sie nie wieder herauskommen würde. Die Nonne war wahnsinnig, sie war besessen, in ihr mußte ein Dämon stecken, der aus der Hölle kam, denn der Geruch nach Schwefeldämpfen drang in die Nase der Frau. Schwefel, der Teufel, die Hölle…
Ihre Gedanken brachen ab.
Sie würgte. Das Gesicht der anderen Frau war nur mehr ein Zerrbild. Es hatte noch menschliche Züge, aber die verdammte Zunge paßte nicht dazu, sie hätte eher zu einem Reptil gehören müssen. Wieso hatte ein Mensch…?
Ihre Gedanken wurden unterbrochen, denn das tiefe Knurren aus dem Mund der Nonne zeigte ihr an, daß sie zufrieden war. Und die Zunge bewegte sich noch einmal.
Laurie Warren riß den Mund auf, ohne jedoch Luft holen zu können. Ihr Hals war zugeschnürt, es gelang ihr nicht mehr, den für sie lebensnotwendigen Sauerstoff aufzunehmen. Sie spürte das Würgen, das Rauschen des Bluts in ihren Ohren, sie…
Ihre Gedanken brachen ab.
Etwas blitzte vor ihren Augen. Der plötzlich auftauchende Schatten verwandelte sich in eine dreieckige Teufelsfratze. Der Teufel!
Es war ihr letzter Gedanke, bevor die große Finsternis kam und sie überschwemmte.
Die Nonne merkte es ebenfalls. Sie ließ die Frau los. Gleichzeitig rollte sich die Zunge wieder auf, und Laurie Warren sank im Sitz zusammen. Clara Montero war zufrieden. Für die Dauer einer Minute blieb sie noch im Wagen sitzen. Sie schaute gegen das Dach der Bäume und sah aus wie jemand, der es genoß, von der Stille der Natur umgeben zu sein. Nur die Vögel zwitscherten, ansonsten unterbrach kein fremder Laut diese natürliche Umgebung.
Als sie den Wagen verließ, drang ein böses Knurren über ihre Lippen. Sie hatte es geschafft, sie war den Befehlen des Teufels wieder einmal nachgekommen und sie fühlte sich auch viel wohler. Die Unsicherheit einer Nonne, die sich außerhalb des Klosters bewegte, existierte bei ihr nicht, und sie fühlte sich sogar stark genug, den Wagen zu fahren, obwohl sie keinen Führerschein besaß.
Zunächst einmal ging sie um das Fahrzeug herum und öffnete die Fahrertür. Die Tote kippte ihr entgegen. Es machte der Nonne nichts aus, sie anzufassen. Sie zerrte den Körper aus dem Wagen und bettete ihn neben dem schmalen Weg in das hohe Gras.
Jetzt, da die Zunge den Hals nicht mehr umwickelte, konnte Clara sehr deutlich die Spuren erkennen, die zurückgeblieben waren. Die böse Zunge hatte in die Haut so etwas wie eine Spirale hineingegraben, aus der dünne Blutstropfen drangen. Auch im Gesicht hatte sie einen tiefen Streifen hinterlassen, der an der Stirn begann und sich bis nach unten zum Kinn hin durchzog. Rechts und links davon lagen die Augen, die einfach aussahen wie totes, sprödes Glas.
Pech für sie…
Clara Montero drehte sich um und ging zum Wagen zurück. Der Schlüssel steckte, und als sie sich hinter das Steuer setzte, kam sie sich schon komisch vor, denn dieser Platz war ihr sehr fremd. Sie verlor nicht die Nerven, zudem hörte sie wieder die Stimme ihres Mentors, der ihr klarmachte, daß sie einfach beginnen sollte. Sie würde es schon schaffen.
Im Vertrauen darauf, vom Satan geleitet zu werden, umfaßte sie den Zündschlüssel mit zwei Fingern und drehte ihn herum. Beinahe erschrak sie, als der Motor ansprang, denn dieses Geräusch war ihr ebenfalls sehr fremd.
Aber sie konnte den Wagen fahren, als hätte sie es immer getan. Sie mußte den Golf wenden. Die beiden linken Reifen rasierten hautnah an der Leiche vorbei, aber für sie hatte die Nonne keinen
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