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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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vor drei Tagen habe ich den König verlassen; ich bot meine ganze Kraft auf, um ihm begreiflich zu machen, daß seine wahren Feinde seine Brüder, der Prinz von Condé und die Ausgewanderten sind. Ich bat Se. Majestät auf den Knien, jede Verbindung mit ihnen abzubrechen und ganz offen die Verfassung anzunehmen. Der König schien überzeugt zu sein; er hatte die Gnade, mir zu versprechen, daß jeder Verkehr mit den Ausgewanderten aufhören solle ... und kaum hatte ich mich beurlaubt, so unterzeichnete der König ein Schreiben an seinen Bruder, in welchem er ihn ermächtigt, mit dem Kaiser von Österreich und dem Könige von Preußen in Unterhandlung zu treten. Auch Ew. Majestät haben dieses Schreiben unterzeichnet ...«
    Marie Antoinette war entrüstet.
    »Unsere Feinde haben also selbst im Kabinett des Königs ihre Kundschafter?«
    »Ja, Madame,« antwortete Gilbert gelassen, »und eben dadurch wird jeder Fehlgriff des Königs so gefährlich.«
    »Aber der Brief war ja von dem Könige eigenhändig geschrieben; und er wurde sogleich von mir unterzeichnet, von dem Könige gesiegelt und dem Kurier übergeben.«
    »Der Brief ist gelesen worden.«
    »Sind wir denn von Verrätern umgeben?«
    »Nicht jeder ist ein Graf von Charny!«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Leider will ich damit sagen, daß es eine unglückliche Vorbedeutung ist, wenn sich die Könige von Männern abwenden, die sie mit den stärksten Banden an ihr Geschick fesseln sollten.«
    »Ich habe mich nicht von dem Grafen Charny abgewendet,« erwiderte die Königin mit Bitterkeit; »er hat sich von uns abgewendet. Wenn die Könige unglücklich werden, sind keine Bande stark genug, um ihre Freunde an sie zu fesseln.«
    Gilbert sah die Königin an und schüttelte den Kopf.
    »Verleumden Sie den Grafen nicht, Madame, sonst werden seine beiden für Sie gefallenen Brüder aus dem Grabe rufen, daß die Königin von Frankreich undankbar ist!«
    »Herr Gilbert!« sagte Marie Antoinette beleidigt.
    »Ew. Majestät wissen wohl, daß ich die Wahrheit sage,« erwiderte Gilbert; »Sie wissen wohl, daß der Graf von Charny auf seinem Posten sein wird, sobald Ihnen eine wirkliche Gefahr droht.«
    Die Königin sah vor sich nieder. – Nach einer Pause sagte sie mit Ungeduld:
    »Sie sind doch gewiß nicht gekommen, um von dem Grafen von Charny zu sprechen? Was wollten Sie der Königin sagen?«
    »Ich wollte ihr sagen: »Madame, Sie spielen ein gewagtes Spiel, in dem es sich um das Wohl oder Wehe von Millionen handelt; die erste Partie haben Sie am 6. Oktober verloren, die zweite haben Sie soeben gewonnen, wie wenigstens die Hofpartei glaubt. Morgen wird Trumpf ausgespielt; wenn Sie verlieren, so handelt es sich um den Thron, um die Freiheit, vielleicht um das Leben!«
    »Glauben Sie denn,« erwiderte die Königin mit stolzer Gebärde, »daß wir vor einer solchen Furcht zurückschrecken werden?«
    »Ich weiß, daß der König Mut hat; ich kenne den hohen Sinn der Königin; ich werde Ihnen gegenüber daher nur triftige Gründe geltend zu machen suchen; aber ich kann leider nicht hoffen, daß es mir jemals gelingen werde, Ihre Majestäten zu überzeugen.«
    »Warum machen Sie sich denn eine solche Mühe, Herr Gilbert, wenn Sie sie für fruchtlos halten?«
    »Es ist tröstendes Bewußtsein, wenn man sich bei jeder Bemühung sagen kann: Ich erfülle meine Pflicht!«
    Die Königin sah Gilbert forschend an.
    »Vor allen Dingen«, sagte sie, »beantworten Sie mir eine Frage: Glauben Sie, daß es noch möglich ist, den König zu retten?«
    »Ich glaube es.«
    »Das französische Volk ist unser Feind!« entgegnete Marie Antoinette.
    »Weil Sie es gelehrt haben, an Ihnen zu zweifeln.«
    »Das französische Volk kann gegen eine europäische Koalition nicht standhalten.«
    »Denken Sie sich an seiner Spitze einen König, der die Verfassung aufrichtig will, und das französische Volk wird gegen Europa in die Schranken treten.«
    »Herr Gilbert,« sagte die Königin, »warten Sie hier einen Augenblick ... Ich gehe zu dem Könige, ich bleibe nicht lange aus.«
    Gilbert verneigte sich; die Königin ging an ihm vorüber und begab sich in die Gemächer des Königs.
    Der Doktor wartete eine Viertelstunde, eine halbe Stunde. Endlich ging eine Tür auf, aber nicht die, durch welche sich die Königin entfernt hatte.
    Es war ein Türsteher, der sich nach allen Seiten umsah, dann auf Gilbert zutrat, ein Freimaurerzeichen machte, ihm einen Brief übergab und sich entfernte.
    Gilbert las:
    »Du

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