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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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meine Herrin!«
    Die Sängerin trat vor und wendete sich mit ausgestreckten Armen zu der Königin.
    Marie Antoinette sah wohl ein, daß diese Worte einen Sturm heraufbeschwören würden. Sie wendete sich erschrocken ab, und ihr Blick fiel unwillkürlich auf den Mann an der Säule. Sie glaubte zu bemerken, daß er einen gebieterischen Wink gab, dem das ganze Parterre gehorchte; das Parterre rief einstimmig: »Keinen Herrn, keine Herrin mehr! Freiheit!«
    Auf diesen Ruf antworteten die Logen und Galerien:
    »Es lebe der König! es lebe die Königin!«
    Der Kampf begann.
    Die Königin schloß die Augen.
    In demselben Augenblicke traten die Offiziere der Nationalgarde zu ihr heran und führten sie zur Loge hinaus.
    Ohnmächtig wurde die Königin in den Wagen gebracht. – Es war das letztemal, daß Marie Antoinette das Theater besuchte.
    Am 30. September erklärte die konstituierende Versammlung durch den Mund ihres Präsidenten Thouret, daß sie ihre Aufgabe erfüllt habe und ihre Sitzungen schließe.
    An dem Tage, an dem der König die Verfassung beschworen hatte, verschwanden die Schildwachen und die Adjutanten Lafayettes aus dem Innern des Schlosses, der König war wieder frei. Barnave ließ sich bei der Königin melden. Er war sehr blaß und schien äußerst niedergeschlagen. Die Königin bemerkte es wohl. Sie empfing ihn stehend, obgleich sie den Respekt des jungen Mannes kannte und wohl wußte, daß er es nicht so machen würde wie der Präsident Thouret, der sich gesetzt hatte, als der König nicht aufgestanden war.
    »Jetzt werden Sie doch zufrieden sein, Herr Barnave?« sagte Marie Antoinette; »der König hat Ihren Rat befolgt und die Verfassung beschworen.«
    »Eure Majestät sind sehr gütig,« antwortete Barnave, sich verneigend, »mir ein Verdienst dabei zuzuschreiben. Die Beschwörung der Verfassung war indes das einzige Mittel, den König zu retten, wenn er ...«
    Barnave stockte.
    »Wenn er zu retten war ... das meinen Sie, Herr Barnave, nicht wahr?« erwiderte die Königin.
    »Es sei ferne von mir, Madame, ein solcher Unglücksprophet zu sein! ... Und doch möchte ich angesichts meiner bevorstehenden Abreise von Paris, angesichts der nahen, vielleicht ewigen Trennung von Eurer Majestät weder zu viele Täuschungen zurücklassen noch jede Hoffnung rauben.«
    »Sie verlassen Paris, Herr Barnave? Sie entfernen sich von mir?«
    »Ja, Madame. Die Arbeiten der Nationalversammlung, deren Mitglied ich war, sind beendet, und da kein Mitglied der Konstituante in die gesetzgebende Versammlung treten kann, so habe ich keine Ursache mehr in Paris zu bleiben.«
    »Auch dann nicht, wenn Sie uns nützlich sein können?«
    »Nein, Madame,« erwiderte Barnave mit traurigem Lächeln; »denn von jetzt an kann ich Ihnen nicht mehr nützlich sein.«
    »Sie haben eine zu geringe Meinung von sich selbst, Herr Barnave.«
    »Ach nein, Madame, meine Popularität ist verloren!«
    Die Königin sah Barnave mit einem seltsamen, fast triumphierenden Blicke an.
    »Sie sehen,« erwiderte sie, »daß man die Popularität verlieren kann, aber Sie reisen nicht ab ... nicht wahr, Herr Barnave?«
    »Wenn Eure Majestät befehlen,« sagte Barnave, »so bleibe ich, wie ein Soldat, der seinen Abschied hat, unter der Fahne bleibt, um in der Schlacht zu kämpfen.«
    »Herr Barnave,« erwiderte die Königin mit großer Würde, »ich weiß nicht, welches Schicksal mir und dem Könige bevorsteht; aber die Namen aller Personen, die uns Dienste geleistet, sind mit unauslöschlichen Zügen in unser Gedächtnis geschrieben, und wir nehmen stets aufrichtigen Anteil an allem Glück oder Unglück, das ihnen begegnet ... Können wir inzwischen etwas für Sie tun?«
    »Ja, Madame, viel ... Sie persönlich ... Sie können mir beweisen, daß ich in Ihren Augen nicht ganz wertlos war.«
    »Womit soll ich Ihnen das beweisen?«
    Barnave ließ sich auf ein Knie nieder.
    »Dadurch, daß Sie mir Ihre Hand zum Kuß reichen.«
    Eine Träne stahl sich aus dem Auge der Königin; sie reichte dem jungen Manne ihre weiße, kalte Hand.
    Barnave berührte sie nur leise; der arme Enthusiast fürchtete, er werde die schöne Marmorhand nicht mehr loslassen können, wenn er seine Lippen zu fest daraufdrückte.
    »Madame,« setzte er aufstehend hinzu, »mir wird es nicht vergönnt sein, Ihnen zu sagen: ›Die Monarchie ist gerettet!‹ aber ich sage Ihnen: ›Wenn die Monarchie verloren ist, so wird der wärmste Verehrer und Bewunderer Eurer Majestät mit ihr

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