Die Graefin Charny
Schatz finden.«
Bald erschien der Doktor Raynal. Jedermann wollte wissen, woran die Tante Angelika gestorben sei. Der Arzt trat an das Bett, untersuchte den Leichnam, legte die Hand auf die Herzgrube und erklärte zum größten Erstaunen der ganzen Gesellschaft, die Tante Angelika sei erfroren und wahrscheinlich verhungert.
Pitou brach in Tränen aus.
Der Doktor Raynal hatte ein Tuch über den Kopf der Toten geworfen und ging auf die Tür zu. Er winkte Pitou zu sich.
»Ich rate dir, Freund,« sagte er, »alles genau zu durchsuchen ... Du verstehst mich?«
Als die Begräbnisfeierlichkeit zu Ende war, dankte Pitou den Anwesenden im Namen der Verstorbenen und in seinem eigenen Namen; dann zogen alle, der Gewohnheit gemäß, an ihm vorüber.
Unterdessen kniete Katharina mit dem kleinen Isidor an einem mit vier Zypressen bepflanzten Grabe. Es war das Grab ihrer Mutter, und die vier Zypressen hatte Pitou aus dem Walde geholt und auf das Grab gepflanzt.
Er wollte Katharina in ihrer Andacht nicht stören, und eilte ins Haus, um Feuer zu machen.
Leider war das Holz verbrannt, und er hatte kein Geld mehr.
Er sah sich nach allen Seiten um und suchte irgendein Hausgerät, das er opfern könnte. Sein Blick fiel zunächst auf das Bett, die Truhe und den Lehnstuhl der Tante Angelika.
Das Bett und die Truhe hatten wohl keinen großen Wert, waren aber noch nicht unbrauchbar; aber der Armsessel war so baufällig, daß seit langer Zeit niemand auf ihm Platz genommen hatte; er wurde daher geopfert.
Pitou faßte also den verstümmelten Sessel bei einem Fuß, hob ihn hoch auf und schleuderte ihn mit aller Gewalt auf den Fußboden.
Der Sitz brach mitten durch, und zum größten Erstaunen Pitous kamen aus der weiten Öffnung Ströme blanken, schimmernden Goldes.
Pitou stand eine Weile wie erstarrt da. Plötzlich wurde sein Gesicht heiter. Er nahm die umherliegenden Goldstücke vom Boden auf und zerschnitt den Sitz des Lehnstuhls mit seinem Messer. Das ganze Polster war mit Goldstücken angefüllt.
Pitou zählte seinen Schatz; es waren fünfzehnhundertfünfzig Louisdor, das ist siebenunddreißigtausendzweihundert Livres; da aber ein Louisdor damals neunhundertzwanzig Livres in Assignaten galt, so besaß Pitou einen Schatz von einer Million viermalhundertsechsundzwanzigtausend Livres.
Und in welchem Augenblick fiel ihm dieses kolossale Vermögen zu? In dem Augenblicke, als er kein Geld mehr hatte, um Holz zu kaufen.
Pitou steckte sich alle Taschen voll Louisdor, und nachdem er jeden Teil des Sessels geschüttelt hatte, türmte er ihn im Kamine auf, schlug Feuer und zündete das Holz mit zitternder Hand an.
Es war Zeit. Katharina und der kleine Isidor kamen, vor Kälte schlotternd, vom Friedhofe.
Pitou drückte den Knaben an sein Herz, küßte Katharinas erstarrte Hände und entfernte sich eilends, indem er ihr zurief: »Ich habe einen notwendigen Gang zu machen; wärme dich und erwarte mich hier.«
»Wohin geht denn Papa Pitou?« fragte Isidor.
»Ich weiß es nicht,« antwortete Katharina; »aber da er so schnell geht, beschäftigt er sich gewiß mit dir oder mit mir.«
Am folgenden Tage fand der öffentliche Verkauf des Meierhofes Pisseleux und des Schlosses Voursonne statt. Der Meierhof war auf viermalhunderttausend und das Schloß auf sechsmalhundertausend Liures in Assignaten geschätzt worden. Der Bürgermeister von Longpré kaufte die beiden Besitzungen als Bevollmächtigter eines Unbekannten für die Summe von tausenddreihundertfünfzig Louisdor, das ist für eine Million zweimalhunderttausend Franken in Assignaten. Er bezahlte den Kaufpreis bar aus.
Dieses geschah am Sonntage, und tags darauf sollte die Trauung Katharinas und Pitous stattfinden.
Am Sonntagmorgen ging Katharina sehr früh nach Haramont, entweder um sich am Tage vor ihrer Hochzeit bräutlich zu schmücken, oder um nicht in Villers-Cotterêts zu bleiben, während der schöne Meierhof, wo sie ihre Jugend verlebt, wo sie so glücklich gewesen war, und so viel gelitten hatte, öffentlich versteigert werden sollte.
Daher kam es, daß die Volksmenge, die am folgenden Tage um elf Uhr vor dem Rathause wartete, Pitou so sehr bedauerte und lobte, daß er ein so blutarmes Mädchen geheiratet.
Unterdessen richtete der Bürgermeister von Longpré an die Brautleute die üblichen Fragen:
»Citoyen Pierre Ange Pitou, nehmen Sie die Citoyenne Anna Katharina Billot zu Ihrer Ehegattin?«
»Citoyenne Anna Katharina Villot, nehmen Sie den Citoyen Pierre Ange
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