Die Graefin Charny
»erkennen Sie mich nicht?«
»Ach! Sie sind's«, sagte Beausire. »Das ist schön.«
»Setzen Sie auf diesem Seitenpfad Ihren Weg fort,« sagte Cagliostro, »zwanzig Schritte von hier finden wir einen verfallenen Altar, auf dessen Stufen wir von unsern Geschäften sprechen können.«
Beausire folgte Cagliostro und trat so regelmäßig in seine Fußtapfen, wie ein Soldat des zweiten Gliedes in die seines Vordermannes tritt.
»Ah, sehen Sie, hier ist frische Erde«, sagte Cagliostro, der so plötzlich stehen blieb, daß Beausire mit dem Bauch an seinen Rücken stieß. »Es ist das Grab Ihres Kameraden Fleur d'Epine, der als Mörder des Bäckers François vor acht Tagen gehängt wurde.«
»Jetzt sind wir da«, sagte endlich Cagliostro, vor einer Art Ruine stehenbleibend. Er setzte sich auf eine verfallene Stufe und wies seinem Begleiter einen Stein an. Es war Zeit; die Beine des alten Soldaten schlotterten.
»Hier können wir ungestört plaudern, lieber Herr von Beausire«, sagte Cagliostro. »Sagen Sie, was ist denn heute abend unter den Arkaden des Place-Royale vorgegangen?«
»Ich muß gestehen, Herr Graf,« erwiderte Beausire, »daß ich mich in diesem Augenblick nicht mehr recht auf alles besinnen kann, und ich glaube, wir würden beide gewinnen, wenn Sie mich um alles fragten, was Sie zu wissen wünschen.«
»Gut,« sagte Cagliostro, »an der Form liegt mir wenig, wenn ich nur erfahre, was ich wissen will ... Wieviel waren da?«
»Sechs, mich mit inbegriffen.«
»Sechs, Sie mit inbegriffen, lieber Herr von Beausire? Wir wollen doch sehen, ob es die Leute sind, die ich meine: – erstens Sie; das unterliegt keinem Zweifel ... Dann Ihr Freund Tourcaty, ein vormaliger Werbeoffizier, der die Aushebung der Brabanter Legion übernimmt, nicht wahr?«
»Ja,« sagte Beausire, »Tourcaty war da.«
»Ferner ein guter Royalist namens Marquié? Dann der Marquis von Favras? Dann der Mann mit der Larve?«
»Ja.«
»Haben Sie mir über diesen Mann etwas mitzuteilen, Herr von Beausire?«
Beausire sah Cagliostro so scharf an, daß seine Augen in der Dunkelheit zu leuchten schienen.
»Nicht wahr,« sagte er, »es ist ...«
Er hielt inne, als ob er gefürchtet hätte, eine Ruchlosigkeit auszusprechen.
»Wen meinen Sie?« fragte Cagliostro; »es ist ...«
»Nicht wahr? ...«
»Haben Sie denn einen Knoten in der Zunge, lieber Herr von Beausire? Nehmen Sie sich in acht, die Knoten in der Zunge haben zuweilen Knoten am Halse zur Folge, und diese sind gefährlicher, denn es sind Schleifknoten!«
»Nicht wahr,« erwiderte Beausire, der sich in die Enge getrieben sah, »es ist ... der Graf Louis von Nav ...«
»Vorsichtig!« sagte Cagliostro.
Beausire hielt inne.
»Jetzt, da uns über die Teilnehmer mit Maske und ohne Maske kein Zweifel mehr bleibt, wenden wir uns zu dem Komplott selbst. Nicht wahr, man will den König entführen?«
»Das ist in der Tat der Zweck des Komplotts.«
»Und man will ihn nach Peronne bringen?«
»Ja, nach Peronne.«
»Und die Mittel?«
»Man hat zwei Millionen ...«
»Die ein Genueser Bankier vorschießt ... Ich kenne den Bankier ... Stehen sonst keine Geldmittel zu Gebote?«
»Ich glaube nicht.«
»Soweit also die Geldfrage. Aber man braucht nicht bloß Geld, sondern auch Leute.«
»Die Armee ist ja da. Zwölfhundert Reiter stehen in Versailles; sie brechen am festgesetzten Tage um elf Uhr abends auf; um zwei Uhr früh rücken sie in drei Kolonnen in Paris ein. Die erste marschiert in das Tor von Chaillot, die zweite in die Barrière du Roule, die dritte in die Barrière von Grenelle. Die letztere macht den General Lafayette nieder, die erste läßt Herrn Necker über die Klinge springen und die zweite schafft Herrn Bailly auf die Seite ... Dann werden die Kanonen vernagelt, die Truppen ziehen sich in den Elysäischen Feldern zusammen und rücken gegen die Tuilerien, die unser sind.«
»Wie, die Nationalgarde hält doch die Tuilerien besetzt.«
»Jawohl, aber wir haben die Brabanter Kolonne mit einem Teile der besoldeten Garde; sie wird sich der Eingange leicht bemächtigen; man dringt in die königlichen Gemächer und ruft: ›Sire, die Vorstadt Saint-Antoine ist im Aufstande ... ein bespannter Wagen erwartet Sie ... Sie müssen fliehen!‹ – Wenn der König in die Flucht willigt, so geht die Sache ganz leicht; wenn er nicht fliehen will, so bringt man ihn mit Gewalt fort und führt ihn nach Saint-Denis.«
»Gut!«
»Dort findet man zwanzigtausend Mann Infanterie, zu
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