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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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gehorcht der Nation!«
    »Ja, ja!« riefen dreihundert Stimmen.
    »Im Namen der Nation fordere ich dich daher auf, Priester,« sagte Billot ernst, »dein Friedensamt zu versehen und den Segen des Himmels für deine Mitbürger und dein Vaterland zu erflehen! ... Komm, komm!«
    »Bravo, Billot! Es lebe Billot!« riefen alle Stimmen. »Zum Altar, zum Altar mit dem Priester!«
    Der Abbé Fortier sah wohl ein, daß kein Widerstand mehr möglich war. »Wohlan denn,« sagte er, »so will ich zum Märtyrer werden!« Und er stimmte laut das »
Libera nos Domine
« an.
    Den Höhepunkt des Festes bildete die Verkündung der Menschenrechte, die Billot am Altar des Vaterlandes unter dem ehrfürchtigen Schweigen der Menge vornahm.
    Zum ersten Male hörte das Volk die öffentliche, unumwundene Anerkennung seiner Rechte, vernahm es die Kundmachung einer Verfassung, die ihm erst nach Jahrhunderten der Knechtschaft, des Elends und der Leiden gewährt wurde. Zum ersten Male wurde sich der Landmann, der Handwerker, der Arbeiter seiner Kraft, seiner Menschenwürde bewußt; zum ersten Male berechnete er den Platz, den er auf der Erde einnahm und maß den Schatten, den seine Gestalt in der Sonne warf; er fühlte, daß er unter dem Gesetz stand und nicht mehr von der Laune eines Zwingherrn anhing.
    Als daher Billot den ganz neuen, unerhörten Ruf: Es lebe die Nation! erschallen ließ, da fand dieser Ruf in dem Munde aller Anwesenden ein Echo.
     

19. Kapitel
     
    Auf dem Meierhof Billots schien alles ruhig und heiter. In der Frühe gegen fünf Uhr wurde das Hoftor regelmäßig geöffnet; der Säemann begab sich zu Fuß, der Ackerknecht zu Pferde auf das Feld; der Kuhhirt trieb die Herde auf die Weide, und zuletzt kam Billot, die Seele dieser Welt im kleinen, auf seinem kräftigen Pferd.
    Aber Billot war nicht so ruhig, wie er schien. Er spähte in der Dunkelheit umher, ob kein ungebetener Gast in der Nähe des Meierhofs umherstreifte, er lauschte, ob nicht zwischen Katharinas Kammer und dem Weidengebüsch am Wege geheimnisvolle Signale gewechselt wurden. Er beobachtete den Erdboden genau, um leichte, kleine, aristokratische Fußstapfen zu suchen.
    Billot war gegen seine Tochter wohl etwas freundlicher geworden, aber seine argwöhnischen Blicke entgingen ihr keineswegs; sie durchwachte manche lange Winternacht, und sie wußte in der Tat nicht, ob sie Isidors Rückkehr wünschen sollte.
    Pitou war nach wie vor Katharinas Briefbote. Der letzte Brief war mit dem Poststempel »Paris« versehen. Da der Vicomte einmal in Paris war, so ließ sich vermuten, daß er bald nach Boursonne kommen werde.
    Zu einer Stunde, wo Billot im Felde zu sein pflegte, ging Pitou zu Katharina.
    Sie lächelte ihm schon von ferne zu.
    »Du bist's, lieber Pitou?« sagte sie; »wie kommst du denn hierher?«
    Pitou zeigte auf die um seine Hand gewundenen Schlingen.
    »Ich kam heute auf den Gedanken, Jungfer Katharina, Euch ein paar recht zarte, fette Kaninchen zu bringen; ich bin recht früh fortgegangen, um Euch im Vorbeigehen zu besuchen, und mich zugleich nach Euerem Befinden zu erkundigen.«
    »Nach meinem Befinden? Du bist sehr gütig, lieber Pitou.«
    »Ihr habt mir etwas zu sagen, Jungfer Katharina?« fragte nach einer Pause Pitou, dem eine gewisse Unruhe in Katharinas Wesen auffiel.
    »Ich? ... Nein, nichts; du irrst dich, lieber Pitou«, antwortete sie mit unsicherer Stimme.
    Pitou bezwang sich.
    »Ich meine, Jungfer Katharina,« erwiderte er, »wenn Ihr etwas von mir wünscht, so dürft Ihr's nur sagen.«
    »Lieber Pitou,« sagte sie, »du hast mir bewiesen, daß ich mich auf dich verlassen kann, und ich bin dir sehr dankbar dafür; aber für jetzt brauche ich deine Dienste nicht.«
    Dann setzte sie leise hinzu:
    »Es ist nicht einmal nötig, daß du in dieser Woche auf die Post gehst; in den nächsten Tagen werde ich keinen Brief bekommen.«
    Pitou wollte eben antworten, daß er sich's wohl gedacht habe; aber er besann sich, er wollte vielleicht sehen, wie weit Katharinas Vertrauen gegen ihn gehen würde. Als sie aber hartnäckig schwieg, sagte er:
    »Jungfer Katharina, habt Ihr wohl die Veränderung bemerkt, die mit Herrn Billot vorgegangen ist?«
    Katharina erschrak, aber sie faßte sich schnell.
    »So«, antwortete sie mit einer anderen Frage. »Du hast also etwas bemerkt?«
    »Hört, Jungfer Katharina,« erwiderte Pitou kopfschüttelnd, »es wird gewiß ein Augenblick kommen, – wann? das weiß ich nicht, wo der, dem diese Veränderung zuzuschreiben ist,

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