Die Graefin Charny
widmen.
Pitou sah, wie sich die Fensterläden auftaten und Billots Kopf zum Vorschein kam. Der Pächter stand eine Weile regungslos, als ob er seinen Augen nicht getraut hätte.
Nach einigen Sekunden ging das Hoftor auf, und als Katharina den Saum des Waldes erreichte, erschien Billot mit dem Gewehr auf der Schulter und ging schnell auf den Wald zu; aber er schlug den Fahrweg ein, mit welchem sich der Fußpfad, den Katharina gewählt hatte, eine Viertelstunde von dem Meierhofe entfernt vereinigte.
Es war kein Augenblick zu verlieren.
Pitou sprang auf und lief wie ein aufgescheuchtes Reh in schräger Richtung durch den Wald. Als er den Fußpfad erreicht hatte, stand er still und lauschte. Es war Zeit, er hörte bereits die schnellen Fußtritte und den keuchenden Atem des Mädchens.
Pitou trat hinter einen Baum. Eine halbe Minute später kam Katharina. Er trat ihr schnell in den Weg und nannte zugleich seinen Namen.
Die Überraschung entlockte ihr nur einen leisen Schrei, und sie zitterte weniger vor Schrecken, als vor Angst und Besorgnis um ihren geliebten Isidor.
»Keinen Schritt weiter, um des Himmels willen!« sagte Pitou, die Hände faltend.
»Warum nicht?«
»Weil Herr Billot weiß, daß Ihr fortgegangen seid, weil er mit dem Gewehr in der Richtung nach Boursonne gegangen ist, weil er Euch am Kreuzwege von Bourg-Fontaine erwartet!«
»Aber er ... er!« sagte Katharina außer sich, – »soll er denn nicht gewarnt werden?«
»Kommt, Jungfer Katharina, und geht wieder in Eure Kammer, ich will mich in der Nähe Eures Fensters verstecken, und wenn ich den Junker Isidor sehe, will ich ihn warnen.«
»Das willst du tun, lieber Pitou?«
»Für Euch will ich ja alles tun, Jungfer Katharina ... Ach, ich habe Euch ja so lieb!«
Katharina drückte ihm die Hände.
Zehn Minuten nachher war Katharina wieder in ihrem Kämmerlein, und bevor sie das Fenster schloß, zeigte ihr Pitou das Weidengebüsch, in welchem er warten und lauschen wollte.
Die Weidenbäume, die etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Schritt von Katharinas Fenster entfernt standen, neigten sich über einen tiefen Graben, in welchem ein kleiner Bach floß.
In den letzten dieser zum Teil hohlen Weidenbäume hatte Pitou jeden Morgen die für Katharina angekommenen Briefe gelegt, und dort hatte sie die schöne Pächterstochter geholt, sobald ihr Vater ausgelitten war.
Pitou und Katharina waren übrigens mit so großer Vorsicht zu Werke gegangen, daß Billot nie den mindesten Verdacht gehegt hatte. Unglücklicherweise aber hatte der Schäfer des Meierhofes am frühen Morgen den von Paris kommenden Vicomte von Charny gesehen. Der Schäfer hatte die Ankunft Isidors als eine ganz unwichtige Neuigkeit erzählt; aber dieses unerwartete Erscheinen des »Junkers« vor Tagesanbruch war dem Pächter verdächtig vorgekommen. Seit seiner Rückkehr von Paris, seit der Krankheit Katharinas und zumal seit dem strengen Gebot des Doktor Raynal, während der Fieberphantasien Katharinas das Krankenzimmer nicht zu betreten, war er überzeugt, daß der Vicomte von Charny der Geliebte seiner Tochter sei. Daß der Vicomte sich mit einer Bäuerin vermählen werde, war keineswegs zu erwarten, und der erzürnte Vater faßte daher den Entschluß, die Schmach dieses Liebesverhältnisses in Blut abzuwaschen.
Eine Folge dieses Entschlusses warm die oben erzählten Vorgänge, welche für Katharina eine so furchtbare Bedeutung erlangt hatten.
Pitou stand also regungslos an einem Weidenbaum und lauschte mit seinen an die Nacht gewöhnten Sinnen, um einen Schatten zu erblicken oder einen Laut zu vernehmen.
Plötzlich glaubte er hinter sich die schleppenden, unsicheren Fußtritte eines auf dem gepflügten Acker gehenden Mannes zu hören. Der junge, leichtfüßige Vicomte konnte es nicht sein; Pitou drehte sich daher langsam und vorsichtig um den Weidenbaum und bemerkte Billot, der vom Walde herkam und auf den Meierhof zuging.
Billot hatte, wie Pitou vorhergesehen, an dem Kreuzwege von Bourg-Fontaine gewartet; da aber niemand auf dem Fußpfad erschienen war, so glaubte er sich geirrt zu haben und ging, wie er sich ausgedrückt hatte, »auf den Anstand!« denn er meinte, der Vicomte von Charny werde einen Versuch machen, in Katharinas Fenster zu steigen.
Unglücklicherweise wollte der Zufall, daß Billot dieselbe Gruppe von Weidenbäumen, wo sich Pitou versteckt hielt, zu seinem Versteck wählte.
Pitou erriet die Absicht des Pächters. Er konnte ihm den Platz nicht streitig machen,
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