Die Graefin Charny
haben eine sehr starke Wirkung. – Lassen Sie sich einige Tropfen Branntwein oder Weingeist in einem Löffel bringen.«
Der Bediente kam nach einigen Sekunden mit einem Löffel wieder, der die verlangten fünf bis sechs Tropfen Branntwein enthielt.
Gilbert schüttete eine gleiche Menge der Flüssigkeit dazu, und Mirabeau nahm das ganze ein.
»Zum Teufel, Doktor!« sagte er zur Gilbert, »mir ist wirklich, als ob ich einen Blitz verschluckt hätte!«
Mirabeau schien einen Augenblick wie vernichtet; der Kopf sank ihm auf die Brust; aber plötzlich richtete er sich auf und sagte:
»Oh! Doktor, das ist in der Tat das Lebenselixier! – Jetzt möge die Monarchie wanken; ich fühle die Kraft, sie zu halten!«
»Graf,« erwiderte Gilbert, »versprechen Sie mir, nur zweimal wöchentlich einige Tropfen zu nehmen, und ich lasse Ihnen dieses Fläschchen.«
»Geben Sie her,« sagte Mirabeau, »und ich verspreche Ihnen alles, was Sie wollen.«
»Hier ist es«, sagte Gilbert. »Aber das ist noch nicht alles; beziehen Sie eine Wohnung auf dem Lande. Die tägliche Fahrt nach Paris und wieder zurück wird Ihnen heilsam sein.«
»Ich habe heute früh meinen Bedienten fortgeschickt, um ein Landhaus zu suchen. – Hast du mir nicht gesagt, Julius, daß du in Argenteuil etwas Passendes gefunden hattest?«
»Ja, Herr Graf«, antwortete der Diener. »Das Haus dort ist zu vermieten.«
»Wo ist das Haus?«
»Unweit von Argenteuil ... Man nennt es das Schloß am Bache ...«
»Ach, Argenteuil! Ich habe dort meine Jugend verlebt; der Ort würde mir schon gefallen. Lieber Doktor, fahren Sie mit mir nach Argenteuil.«
»Gut, ich fahre mit«, sagte Gilbert; »wir wollen Ihr künftiges Landhaus in Augenschein nehmen.«
Ein Wagen brachte die Freunde nach Argenteuil. Sie besuchten das Wohnhaus von Mirabeaus Vater und auch das Grab seiner Großmutter. Auf der Weiterfahrt nach dem Reiseziel fanden sie eine Frau am Wege, die ein krankes Kind auf dem Arm hielt; Doktor Gilbert blieb bei der Frau zurück, wahrend Mirabeau weiterfuhr, um das angebotene Haus allein zu besichtigen.
Das Schloß war sehr elegant und mit allen Bequemlichkeiten versehen, so versicherte wenigstens der Gärtner; auch hatte es auf den ersten Blick ganz den Anschein.
Als Mirabeau durch das Gittertor getreten war, befand er sich in einem viereckigen Hofe. Rechts war ein Pavillon, den der Gärtner bewohnte; links ein zweiter Pavillon, der weit zierlicher aufgeputzt war als der gegenüberstehende.
Als Mirabeau den hinter Rosen versteckten Pavillon und das Gärtchen sah, strahlte er vor Freude.
»Ist dieser Pavillon zu vermieten oder zu verkaufen?« fragte er den Gärtner.
»Allerdings,« antwortete dieser, »er gehört ja zum Schloß. Er ist jetzt freilich bewohnt.«
»So! der Pavillon ist bewohnt?« sagte Mirabeau. »Wer bewohnt ihn denn?«
»Eine Dame.«
»Jung?«
»Dreißig bis fünfunddreißig Jahre.«
»Schön?«
»Sehr schön!«
»Gut,« sagte Mirabeau, »wir wollen sehen ... Eine schöne Nachbarin kann nicht schaden ... Zeigen Sie mir das Schloß, mein Freund.«
Der Gärtner öffnete die Tür, und Mirabeau trat in eine Vorhalle. Eine im Hintergrunde befindliche Tür führte in den Garten.
Rechts war das Billardzimmer und der Speisesaal, links ein großer und ein kleiner Salon. Die Einrichtung gefiel Mirabeau, der übrigens zerstreut und ungeduldig schien. Die Fenster des Salons und der Schlafzimmer waren geschlossen. Mirabeau trat an ein Fenster und öffnete es.
Gerade unter dem Fenster, welches er eben geöffnet hatte, saß eine Dame am Fuße einer Trauerweide und las. Ein Knabe von fünf bis sechs Jahren spielte einige Schritte von ihr auf dem Rasen.
Es war seine Nachbarin, eine Frau, die Mirabeau, der für Sinnenlust so empfängliche Mann, gewählt haben würde, wenn sie der Zufall ihm nicht zugeführt hätte.
Sie bemerkte Mirabeau, stand auf, rief ihren Sohn und entfernte sich mit ihm, nicht ohne sich zwei- oder dreimal umzusehen.
Mirabeau erschrak. Die Dame hatte die Gesichtszüge der Königin Marie Antoinette.
Welcher wunderbare Zufall führte diese geheimnisvolle Dame, die das Ebenbild der Königin, vielleicht die Königin selbst war, in den Park des Hauses, das Mirabeau mieten wollte?
Während Mirabeau in Gedanken versunken am Fenster stand, fühlte er eine Hand auf seiner Schulter. Doktor Gilbert kam und erzählte, das kranke Kind, das er auf der Straße getroffen, würde wohl sterben. Im übrigen rate er, das Schloß nicht zu kaufen,
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