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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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haben; vor dem Bürgermeister Bailly schwenkte man die Hüte und rief: »Es lebe die Nation!« Aber vor Ludwig XVI. knieten sie nieder, legten ihre Degen zu seinen Füßen und riefen: »Es lebe der König!«
    Endlich kam der 14. Juli; er erschien mit düsterer, wollenumhüllter Stirn und trieb Wind und Regen vor sich her. Aber das französische Volk besitzt die beneidenswerte Eigenschaft, über alles zu lachen, selbst über den Regen an Tagen, wo Feste gefeiert werden. Die seit fünf Uhr früh auf den Boulevards stehenden, vom Regen durchnäßten, vom Hunger geplagten Nationalgarden lachten und sangen mit ihren Brüdern aus der Provinz um die Wette.
    Die Verbündeten zogen trotz Sturm und Regen durch die drei Tore des Triumphbogens in den weiten Zirkus auf dem Marsfeld. Als die ersten zwanzigtausend Mann, die man ihre Vorhut nennen konnte, einen ungeheuren Kreis gebildet hatten, kamen die Wähler von Paris, dann die Vertreter der Gemeinde, endlich die Nationalversammlung.
    Jedes Departement erschien mit seiner Fahne. In dem Augenblick, als der Präsident der Nationalversammlung in seinem Sessel Platz nahm, setzte sich der König in den seinigen, und die Königin nahm auf ihrer Tribüne Platz.
    Ach, die arme Königin! Ihr Gefolge war klein; ihre besten Freundinnen hatten sie furchtsam verlassen. Mit ihren Gedanken suchte sie Olivier.
    Da er nicht gegenwärtig war, so wünschte sie wenigstens einen treuen, bewährten Freund zu sehen, und sie fragte nach Isidor von Charny.
    Niemand wußte, wo Isidor von Charny war, und wenn ihr jemand geantwortet hätte, daß er zu dieser Stunde eine Bäuerin, seine Geliebte, nach Bellevue in ein kleines, prunkloses Haus führe, so würde sie gewiß mitleidig die Achseln gezuckt, vielleicht auch eine eifersüchtige Regung empfunden haben.
    Ja, sie dachte an den abwesenden Charny und an die erloschene Liebe, und zwar mitten unter dem Wirbel von fünftausend Trommeln und dem Klange von zweitausend Instrumenten, die man unter dem lauten Ruf: »Es lebe der König! Es lebe das Gesetz! Es lebe die Nation!« kaum hörte.
    Diesem Getümmel folgte plötzlich tiefe Stille.
    Zweihundert Priester in weißen Chorhemden näherten sich dem Altare. Der Bischof von Autun las eine Messe!
    In diesem Augenblicke wurde das Wetter stürmischer als zuvor. Es schien fast, als ob der Himmel protestierte gegen diesen falschen Priester, dessen Mund in der Folge so viele Meineide sprach.
    Nach beendeter Messe stieg Herr von Talleyrand einige Stufen hinunter und segnete die Nationalfahne samt den Bannern der dreiundachtzig Departements ein.
    Dann begann die feierliche Eidesleistung.
    Lafayette sprach mit fester Stimme:
    »Wir schwören, der Nation, dem Gesetze, dem Könige treu zu sein und zu bleiben, – mit unserer ganzen Macht die von der Nationalversammlung beschlossene und vom Könige angenommene Verfassung zu wahren – die Sicherheit der Personen und des Eigentums, den freien Verkehr im Innern des Landes, die Eintreibung aller öffentlichen Steuern dem Gesetze gemäß zu schützen, – mit allen Franzosen durch die unauflöslichen Bande der Brüderlichkeit vereinigt zu bleiben!«
    Dann erhob sich der Präsident der Nationalversammlung und sprach im Kreise sämtlicher Abgeordneten:
    »Ich schwöre, der Nation, dem Gesetze, dem Könige treu zu sein und die von der Nationalversammlung beschlossene und vom Könige angenommene Verfassung nach Kräften zu wahren!«
    Nun erhob sich der König.
    Still! Hört alle, mit welcher Stimme er den Nationaleid sprechen wird.
    »Ich, König der Franzosen,« sprach Ludwig XVI., »schwöre, alle durch das verfassungsmäßige Staatsgesetz mir übertragene Macht anzuwenden, um die von der Nationalversammlung beschlossene und von mir angenommene Verfassung zu wahren und die Gesetze in Ausführung zu bringen!«
    Krachender Donner folgte den Worten des Königs. Die hundert aufgestellten Kanonen waren gleichzeitig abgefeuert worden.
     

22. Kapitel
     
    Pitou hatte während seiner Anwesenheit in Paris den Doktor Gilbert aufgesucht, dem er über die Verwendung seiner fünfundzwanzig Louisdor Rechenschaft ablegte, und den Dank der dreiunddreißig Nationalgardisten überbrachte; und der Doktor Gilbert hatte ihm weitere fünfundzwanzig Louisdor mit der Weisung übergeben, diese Summe für seine eigenen Bedürfnisse zu verwenden.
    Bei dieser Gelegenheit hatte Gilbert Pitou vorgeschlagen, seinem Sohn Sebastian einen Besuch zu machen. Pitou klatschte vor Begeisterung in die Hände wie ein

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