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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Saal verließ, rief er: »Nun ist die Rache mein.«
    Die Tür tat sich auf; die Genossen des Bundes wurden hereingeführt und füllten den Sitzungssaal.
    Kaum war die Tür hinter dem letzten geschlossen, so streckte Cagliostro die Hand aus und sagte laut:
    »Brüder, einige von euch waren vielleicht in einer Versammlung, die vor zwanzig Jahren in einer Grotte des Donnersberges stattfand. In dieser Versammlung faßten wir den Entschluß, das Volk, das in der Knechtschaft lebte, empor und zum Sieg zu führen. Es gab damals schon Freistaaten, aber diese waren uns zu klein; wir erkannten, daß Frankreich als großer Staat zunächst günstiger Boden für uns war. Mich erwähltet ihr zu eurem Führer; unseren Brüdern gab ich damals den Wahlspruch:
Lilia pedibus destrue
: Zertritt die Lilien. Um die erste Periode meines Werkes zu vollbringen, verlangte ich zwanzig Jahre Zeit. Seht, was sich in dieser Zeit in Frankreich geändert hat: Die Parlamente wurden abgeschafft; die Königin, die erst sieben Jahre nach ihrer Vermählung den Kronprinzen gebar sah sich nicht nur als Gattin und Mutter, sondern auch in der Halsbandgeschichte den schmählichsten Angriffen ausgesetzt; – der König, der unter dem Namen 'Ludwig der Ersehnte' den Thron bestieg, wurde von seinen Ministern von einem Experimente zum anderen und endlich zum Bankerott getrieben; – die Versammlung der Notabeln setzte die Generalstände ein, und diese, durch allgemeine Abstimmung ernannt, traten als Nationalversammlung zusammen; – der dritte Stand ging aus dem Kampfe mit Adel und Klerus als Sieger hervor; – die Bastille wurde erstürmt; die fremden Truppen wurden aus Paris und Versailles vertrieben; – die Nacht des 4. August zeigte der Aristokratie die Nichtigkeit des Adels; – der 5. und 6. Oktober zeigte dem Könige und der Königin die Schwäche des Königtums; – der 14. Juli 1790 zeigte der Welt die Einheit Frankreichs; – die Prinzen verloren durch die Auswanderung ihre Popularität; – Monsieur verlor die seinige durch den Favrasschen Prozeß; – endlich wurde am Altare des Vaterlandes die Verfassung beschworen; der Präsident der Nationalversammlung saß neben dem Könige; über beiden saßen Gesetz und Nation; Europa, das sich uns zuneigt, erwartet schweigend die Dinge, die da kommen werden. – Jetzt sagt, Brüder, ist Frankreich das Rad, in welches Europa eingreifen, ist es die Sonne, welche die Welt erleuchten wird?«
    »Ja, ja!« riefen alle Stimmen.
    »Und glaubt ihr,« fuhr Cagliostro fort, »daß wir das begonnene Werk sich selbst überlassen können? Glaubt ihr, daß die beschworene Verfassung jede Besorgnis beseitige?«
    »Nein, nein!« riefen alle Stimmen.
    »Dann muß die zweite Periode des großen Revolutionswerkes unternommen werden«, sagte Cagliostro; »der Hof hat sein gegenrevolutionäres Werk wieder begonnen; jetzt ist es Zeit, wieder zu rüsten. Den Wahlspruch Christi: Freiheit! Gleichheit! Brüderlichkeit! haben wir schon halb errungen; wir wollen ihn ganz zur Wahrheit machen!«
    Cagliostro hielt inne; lauter, begeisterter Beifall folgte seiner Rede.
    Endlich wurde es wieder still. Die sechs maskierten Männer verneigten sich einer nach dem anderen vor dem Redner, küßten ihm die Hand und entfernten sich.
    Dann ging jeder der Anwesenden vor der Rednerbühne vorüber, verneigte sich und wiederholte den verhängnisvollen Wahlspruch:
    »Lilia pedibus destrue.«
     

24. Kapitel
     
    »Herr Graf,« sagte der Kammerdiener, »der Doktor Gilbert ist da.«
    »Wie, der Doktor!« sagte Mirabeau. »Wegen einer solchen Kleinigkeit läßt man den Doktor kommen? Oh! Doktor, ich bedaure sehr, daß man Sie belästigt hat, ohne mich zu fragen ...«
    »Lieber Graf,« erwiderte Gilbert, »man belästigt mich nie, wenn man mir Gelegenheit gibt, Sie zu sehen.«
    Gilbert sah die Veränderung, die seit einem Monate in der ganzen Person des berühmten Redners vorgegangen war.
    »Ja,« sagte Mirabeau, »nicht wahr, ich habe mich verändert? Ich will Ihnen sagen, woher das kommt.«
    »Sie wissen,« fuhr Mirabeau fort, »worüber in der gestrigen Sitzung debattiert wurde? Es handelte sich um das Berg- und Hüttenwesen. Ich schlug die Feinde in die Flucht; ich blieb freilich auf dem Platze, aber ich hatte doch einen Sieg erkämpft. Und diesen Sieg habe ich bis heute früh um drei Uhr gefeiert ... dann bekam ich Schmerzen in den Eingeweiden. Julius hat Angst bekommen und zu Ihnen geschickt. Gilbert war ein zu geschickter Arzt, als daß er den Zustand

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