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Die Graefin der Woelfe

Die Graefin der Woelfe

Titel: Die Graefin der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Falk
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sich durch fremde Häuser und tötete die neugeborenen Kinder. Sollten die Papisten am Ende doch recht behalten? Gab es Hexen und Zauberinnen? Schaudernd beobachtete Erasmus, wie die Erscheinung ihre Richtung änderte und unaufhörlich auf das Schlafgemach der Gräfin zuhielt. Er hielt den Atem an. Was ging hier, direkt vor seinen Augen, vonstatten? Welche Gefahr breitete sich in eben jenem Moment vor ihm aus? Konnte er die Gräfin schützen, vor dem, was dort auf sie zuschwebte? Die Angst schnürte ihm beinahe die Kehle zu. Erasmus spürte, wie er strauchelte. Seine Hand suchte nach einem Halt, fand ihn an einer zierlichen Kommode, die in der Nähe stand. Zitternd hielt er sich fest.
    Die Gestalt hatte zwischenzeitlich die Tür der Gräfin erreicht. Jetzt streckte sie die Hand aus, in der unzweifelhaften Absicht, sie zu öffnen.
    »Nein«, schrie Erasmus aus Leibeskräften. Die Erscheinung drehte sich um, sah ihn an; fragend, ängstlich, verstört.
    »Frau Gräfin?« Erasmus zitterte. Noch immer war er sich nicht sicher, ob es nicht doch ein Geist war, der vor ihm stand. Ein Geist, der die Gestalt der Gräfin angenommen hatte. Vielleicht auch einer ihrer Vorfahren oder einer der Vielen, die der Exorzist nicht austreiben konnte. Ihm wurde übel vor Angst.
    »Doktor, ist etwas mit Ihnen?« Das war nicht die Stimme eines Geistes, das war die Stimme der Gräfin.
    »Nein«, beeilte er sich. »Nein, ich habe mir nur …« Er schluckte, was konnte er sagen? »Ich habe mir Sorgen um Sie gemacht. Sie gehören ins Bett, immerhin sind Sie krank.« Seine Stimme hatte ihre normale Festigkeit wiedergefunden. Rasch trat er auf Amalia zu, überprüfte mit der flachen Hand ihre Stirn, sie war eiskalt. »Gehen Sie ins Bett, Frau Gräfin, Sie holen sich noch den Tod.«
    Amalia nickte dankend und schloss die Tür.
    Tief in Gedanken versunken begab er sich zurück in seine Kammer. Was sollte das bedeuten? Wie kam diese Frau dazu, mitten in der Nacht durch das Schloss zu wandeln, zudem in solch seltsamem Aufzug? Kein Wunder, dass er sich Sorgen machte und die einfachen Leute auf allerhand abergläubige Gedanken kamen. Es war kein Wunder.
     
    *
     
    Am darauf folgenden Tag wurde Jakobus beerdigt. Amalia fuhr mit Erasmus und Marijke zum Dorffriedhof, wo sie ihrem treuen Freund und Diener das letzte Geleit geben wollte. Die Leute aus dem Dorf betrachteten sie unverhohlen boshaft. Amalia straffte die Schultern, schritt hocherhobenen Hauptes an die offene Grube, um eine Handvoll geweihter Erde auf den Sarg zu werfen. Das Tuscheln hinter ihrem Rücken wurde immer lauter. Zum ersten Mal erkannte sie die hämischen Blicke und deutete die wenigen Worte, die sie verstand. Mit der gleichen Ausschließlichkeit, mit der sie zwei Jahrzehnte lang alle üble Nachrede aus ihrer Wahrnehmung ausgeblendet hatte, drang diese nun in ihr Bewusstsein, beherrschte ihre Empfindungen, war sogar stärker als die Trauer um den treuen Freund.
    »Hexenbrut!«, zischten sie und »Wolfshexe!«
    Es waren die Worte ihrer Mutter und Amalia krümmte sich unter ihnen. Sie sei eine Ausgeburt der Hölle, hatte ihr die Mutter entgegengeschleudert und jetzt, so viele Jahre später, sagten die ehrlichen und einfachen Leute von Zwinzau das Gleiche. Von ihrem Vater hatte sie den Respekt vor der einfachen Klugheit des Volkes gelernt. Nun stand sie mitten unter ihnen und spürte ihren Hass. Ein Schluchzen rollte ihre Kehle empor. Die Ablehnung dieser Menschen brannte auf der Haut wie das Feuer eines Scheiterhaufens. Sie raffte ihre Röcke, drehte sich um und rannte zur Kutsche, zog das Geraune der Menge hinter sich her wie den blutrünstigen Atem einer Bestie. Irgendwann spürte sie die Hand des Doktors an ihrem Arm. Dankbar ließ sie sich führen. Er bugsierte sie in die Kutsche und gab dem Fahrer den Befehl, loszufahren.
     
    *
     
    Erasmus hatte bemerkt, dass Amalia den Friedhof ohne ihre Zofe verlassen hatte, verschwieg das Versäumnis jedoch, um die Gelegenheit zu nutzen, mit der Gräfin allein zu sprechen.
    »Es ist ein Jammer«, erklärte er, kaum, dass die Kutsche sich in Bewegung gesetzt hatte. Zwischen den Gardinen hindurch beobachtete er, wie sich die Hebamme zu Marijke gesellte. Eine unheilige Allianz.
    »Ja«, seufzte Amalia. »Alles nur, weil er diesen weiten Weg auf sich genommen hat. Ach, hätte ich doch nur früher darauf geachtet, was ich tat. Er musste es mit seinem Leben bezahlen.«
    »So dürfen Sie nicht denken.« Erasmus legte eine Hand auf die der Gräfin.

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