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Die Graefin der Woelfe

Die Graefin der Woelfe

Titel: Die Graefin der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Falk
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gesichtet und verglichen. Dabei fand er besonders viele Schilderungen, die die Heiducken und Serben betrafen. Ein gewisser Arnold Paole hatte sich in Serbien mit dem Vampirismus angesteckt und ihn in seine Heimat gebracht. Dort hatte er noch viele Jahre im Kreise seiner Lieben gelebt. Die heimtückische Krankheit trug er während der gesamten Zeit in sich und hatte sie an seine halbe Familie und viele Nachbarn weitergegeben. Erasmus wusste noch eine andere Erklärung, warum ausgerechnet das Volk der Heiducken sowie die streitsüchtigen Ungarn und Serben häufiger von der Vampirkrankheit heimgesucht wurden als andere Völker. Er war beim Studium des Paracelsus darauf gestoßen und nach langer Prüfung hatte er diese Idee schließlich zu einem der Hauptpfeiler seiner Theorie gemacht. Laut Paracelsus war das Wiedergehen häufig bei solchen Verstorbenen zu beobachten, die gewaltsam oder auf andere Weise unerwartet in das Schattenreich gelangten. Wesen also, die ihr Sterben entweder nicht bewusst mitbekommen hatten oder derart am Leben festhielten, dass sie ihren Tod aus einem Teil des Bewusstseins geradezu ausklammerten. Diese Menschen nahmen ihren »siderischen Teil des Leibes« , wie Paracelsus die ewige Seele der Menschen nannte, nicht mit ins Jenseits. Paracelsus schrieb dazu: »Das irdische Fleisch, das durch die Hand Gottes erschaffen ward, besteht aus den Elementen Erde und Wasser. Dies macht den Menschen gleich mit allen Kreaturen. Es ist sein sterblicher Leib, von sich aus ohne Leben, ohne Geist, nur mit den einfachsten unbeseelten Empfindungen.«
    Der Geist, das Leben, die unsterbliche Seele, die Gott dem Adam eingehaucht hat, besteht aus Feuer und Luft. Es ist der Atem und das Licht Gottes. Dieser siderische Geist ist das Ebenbild Gottes. Unsterblich, wie einst Adam im ersten Paradies, ehe das Weib den Sündenfall beging. Erst dann sind alle Menschen mit Krankheit und allerlei Strafen wegen der Übertretung der Gebote Gottes geschlagen und werden letztlich sterblich. Wenn sich nun der Herr abwendet von seinem Geschöpf und das Geschöpf den nahen Tod nicht spürt, so hält der siderische Teil des Menschen am Leben fest, verfällt dem Satan und wird zum Wiedergänger, der versucht, über den Lebenssaft erneut zur Ganzheit zu gelangen. Denn alles, was da ist, strebt nach Vollkommenheit.
    Erasmus stützte seinen Kopf auf die Hand und blickte durch die milchigen Fenster in die dunkle Nacht. Wer wusste schon, was alles in dieser Welt vor sich ging. Wie viele waren in diesem Augenblick unterwegs, um ihren Liebsten im Leben nach dem Tod das Unheil zu bringen? Es fröstelte ihn bei dem Gedanken, sodass er seinen Talar fester um die Schultern zog. Die Untoten suchten über das Blut vollständig zu werden, die Elemente Erde und Wasser in sich aufzunehmen. Genau so musste es sein.
    Ein seltsames Geräusch riss ihn aus seinen Gedanken. Erasmus hob den Kopf und horchte in die Finsternis. Etwas ging vor sich, etwas Ungewöhnliches, oder zumindest etwas Ungewohntes. Er spürte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten. Zitternd erhob er sich aus seinem Stuhl. Wenngleich er gemeinhin nicht mutig war, so siegte doch die wissenschaftliche Neugierde über seine Angst. Es gab einen Toten auf dem Schloss und ausgerechnet in dieser Nacht seltsame Umtriebe. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als nachzuschauen, um was es sich handelte. Er zitterte und schluckte seine Angst hinunter. Er griff nach der Türklinke, drückte sie vorsichtig nach unten. Die Tür gab nach, sie bewegte sich geräuschlos in den Angeln.
    Erasmus tat einen Schritt und stand im Gang. Ein diffuses Licht schimmerte am unteren Ende. Auf Strümpfen stahl er sich näher hinan. Jetzt machte er den Geruch von Kerzen aus, erkannte eine schemenhafte Gestalt, die einen Leuchter in Händen trug.
    Die Gestalt sah aus wie ein Nachtalb. Erasmus blieb stehen, ließ die seltsame Erscheinung nicht aus den Augen. Es hieß, der Alb sauge nachts an den Brüsten und nicht nur an weiblichen. Auch an Männerbrüsten sollte er saugen und selbst kleine Kinder seien nicht vor ihm gefeit. Der Alb war deshalb in den Mythen des einfachen Volkes für entzündete Brustwarzen verantwortlich. War es möglich, dass diese feinstoffliche Gestalt, die er vor sich sah, schuld war am Versiegen von Amalias Milchfluss? War sie vielleicht sogar verantwortlich für die letzten Todesfälle? Nicht nur der Alb huschte nachts über die Gänge, um seine schändlichen Taten zu vollbringen, auch Lilith schlich

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