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Die Graefin der Woelfe

Die Graefin der Woelfe

Titel: Die Graefin der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Falk
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Zufrieden setzte sie sich neben Amalia, hielt ihre Hand und strich ihr das feuchte Haar aus der Stirn. »Ich werde Ihre Haare schneiden müssen«, plauderte sie, und weiter erzählte sie über einfachste Dinge des täglichen Lebens. Dass sie sich einen neuen Hut kaufen wolle, und dass Amalia unbedingt ein neues Kleid brauche. Dabei gab sie ihr in regelmäßigen Abständen dünnen Wein zu trinken und manchmal, wenn ihr der Sinn danach stand, ein paar Schlucke abgekühlten Kaffees.
     
    *
     
    »Ist es wahr?« Es war der Geschmack des Kaffees, der Amalia endgültig aus ihrem glücklichen Dämmerzustand geweckt hatte. Sie drückte Marijkes Hand und öffnete zaghaft die Augen. Tränen perlten hervor.
    »Ja«, antwortete Marijke. Kein weiteres Wort war möglich.
    Amalia weinte, sie weinte alle Tränen, die sie hatte. Dann lag sie stumm und blickte zur Decke des prächtigen Raumes hinauf. Um sie herum waren Gold und Marmor, Seide und Brokat. Sie besaß alle Reichtümer, die eine Frau nur haben konnte. Was half es ihr? Marijke stand neben ihr, ein Tablett mit duftenden Köstlichkeiten in der Hand. Sogar frische Weintrauben waren dabei. Amalia schüttelte den Kopf, aber die Zofe ließ sich nicht abbringen. Sie setzte sich auf das Bett, legte Amalias Kopf in ihren Schoß und zwang ihr die Trauben in den Mund. Amalia biss auf die zarte Hülle und die Süße explodierte an ihrem Gaumen. Der vertraute Geschmack brachte schöne Erinnerungen. Wenzel, wie er ihr die Trauben in den Mund steckte, das Lachen ihres Kindes; seines Kindes.
    »Was soll ich tun?«, flüsterte sie.
    »Leben, Prinzessin. Solange es Leben gibt, gibt es Hoffnung.«
    Amalia blickte auf. Was für eine Hoffnung könnte sie noch haben? Was konnte es noch geben? Wenzel war tot, und Elena, auf die sie ihre ganze Hoffnung gegründet hatte, lebte in einem Kloster. Sie schloss die Augen. Der Satz hallte in ihrem Inneren. Solange es Leben gibt, gibt es Hoffnung. Elena lebte, sie lebte in einem Kloster.
    »Gib mir von dem Fisch«, verlangte sie mit fester Stimme.
     
    Trotz großer Anstrengungen dauerte es über eine Woche, ehe Amalia zum ersten Mal das Bett verlassen konnte. Marijke wachte über sie wie eine Mutter über ihr Kind. Unter ihren strengen Augen senkte Erasmus kontinuierlich die Dosis Mohnsaft, die er ihr gegen die Schmerzen gab.
    Zudem scheuchte Marijke sie jeden Tag aus dem Bett, um einige Schritte zu laufen. Die Wege wurden immer weiter und nach einigen Tagen konnte sie ihr Zimmer bereits verlassen. Sie besuchte Krysta, die im Gesindebereich mit schwerer Krankheit daniederlag. Die treue Seele war vom Tode gezeichnet und Amalia wusste, dass er eine Gnade für die Trauernde darstellte.
    Sie selbst fühlte sich immer einsamer. Außer Erasmus und Marijke gab es keine Vertrauten mehr in ihrem Leben.
    »Sobald es mir besser geht, werde ich an von Hildebrandt und den jungen Torgelow schreiben«, erklärte sie und erkundigte sich in beiläufigem Ton: »Hat niemand nach mir gefragt?«
    Marijke schüttelte den Kopf.
    »Niemand? Auch nicht, als ich krank lag?«
    Noch einmal verneinte die Zofe, während sie starr aus dem Fenster blickte.
    »Mir war, als hätte sie an meinem Bett gesessen.« Die Worte kamen beinahe tonlos, doch Marijke schien sie gehört zu haben.
    »Ich habe an Ihrem Bett gesessen, Prinzessin. Alle Tage und jede Nacht. Die, auf die Sie warten, wird nicht mehr kommen. Sie ist für die Gebärenden da, nicht für die Witwen.«
    Amalia zuckte unter den Worten wie unter einem Degenstich zusammen. Allein, es stimmte, Margeth war eine Hebamme. Sie jedoch würde keine Kinder mehr bekommen. Ihr Mann war tot und ihr Schoß vertrocknet. Das Gefühl der Verlassenheit legte sich wie ein Mantel um ihre Schultern.
    »Ich hätte mich gern von ihr verabschiedet«, flüsterte sie. Worte, die Marijke nicht zu hören schien.
     
    Die Einsamkeit wurde zu ihrem engsten Begleiter. Sie saß morgens an ihrem Bett, wenn sie aufwachte, und legte sich mit ihr nieder. In der Nacht fand sie den Schlaf nicht mehr. In den unruhigen Stunden stand sie auf und streifte durch das schlafende Schloss. Ruhelos und von Schmerzen geplagt wandelte sie bis zum frühen Morgen umher, von Selbstzweifeln und Kummer getrieben. Auch Margeth hatte sie verlassen. Sie hatte eine Freundin in ihr vermutet, aber sie war nur die Hebamme gewesen, einzig die Pflicht hatte sie in ihre Nähe geführt.
    Im verzweifelten Versuch, ihrer Verlassenheit zu entfliehen, machte sie sich auf den Weg zur Kapelle.

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