Die Graefin der Woelfe
selbst.«
Marijke las bis zum Ende, das Schreiben glitt ihr aus der Hand. »Sie wollen die Komtess in ein Kloster bringen?«
»Ich habe lange nachgedacht und es mir nicht leicht gemacht. Aber ich sehe unter den derzeitigen Gegebenheiten keine andere Möglichkeit.«
»Aber es wird Amalia das Herz brechen.«
»Es würde ihr auch das Herz brechen, wenn der Komtess etwas geschieht. Sehen Sie, liebes Fräulein von Wertheim, nicht der einfachste Weg ist der rechte. Wir werden es ihr schonend beibringen müssen. Und wer weiß, vielleicht beflügelt der Gedanke, dass sie ihr Kind wieder in die Arme schließen kann, sobald sie gesund ist, ja ihren Willen zur Heilung. Ich bin Mediziner, ich habe schon viele dieser kleinen Wunder gesehen, die Mutterliebe zuwege bringen kann.«
Fasziniert beobachtete er, wie sich die Gefühlsregungen im Antlitz der Zofe gegenseitig geradezu zu jagen schienen. Zuerst war sie blass geworden, dann rot. Jetzt traten Schweißperlen auf ihre Stirn und Tränen in ihre Augen. Die Zofe kaute sogar wie ein Backfisch auf ihrer Unterlippe, doch es fiel ihr kein Ausweg ein. Ihr Gesicht nahm einen zunehmend resignierteren Ausdruck an. Das war der Zeitpunkt, an dem Erasmus wieder das Wort ergriff.
»Lassen Sie die Sachen der Komtess richten. Ich habe den Kutscher angewiesen, gleich morgen früh wieder nach Krumau zu reisen. Bliebe nur die Frage, wer das Kind in die Arme der Schwester geben wird.« Er blickte ihr ins Gesicht und spürte eine seltsame Genugtuung, als er das Erschrecken in ihren Augen bemerkte.
Marijke zitterte, ihre Antwort kam stockend. »Es wird mir eine Ehre sein«, stieß sie hervor. »Ich werde der Komtess den Dienst erweisen, sie nach Krumau zu begleiten. Wenn Sie mich während der Zeit bei der Gräfin entschuldigen würden?«
Genau das hatte er hören wollen. Jetzt hatte er die Zofe zur Komplizin gemacht und außerdem ein, zwei Tage mit der Gräfin allein.
*
Es war nicht Marijkes Hand, die ihre Stirn berührte. Marijkes Hand war kühl und trocken. Diese hier war warm, feucht und klebrig. Amalia versuchte, der Hand auszuweichen, aber ihr Körper war so schwer, als würde geschmolzenes Blei in ihren Adern fließen.
Sie öffnete die Augen, das Zimmer war angenehm dunkel. Neben ihrem Bett saß ein Mann, sie erkannte ihn nicht und schloss die Augen wieder. Wenn sie sie das nächste Mal öffnete, würde sicherlich Marijke am Bett sitzen, ihre Stickarbeit auf den Knien. Vielleicht wäre sie eingeschlafen. Angestrengt hörte Amalia auf das gleichmäßige Atmen der Zofe, konnte es jedoch nicht ausmachen. Vielleicht schlief die treue Dienerin nicht, vielleicht wachte sie, sorgfältig mit ihrer Arbeit beschäftigt und immer ein Auge auf ihren Schützling. Ein Lächeln legte sich auf Amalias Lippen.
»Schön, Sie erwachen zu sehen.«
Amalia fuhr zusammen. Dies hier war nicht Marijkes Stimme. Zaghaft blinzelte sie ein weiteres Mal. Vor ihr saß ein fülliger Mann mit strengem Gesicht und eisblauen Augen. Amalia fürchtete sich, wusste aber in ihrem Innersten, dass sie die Person kannte.
»Wo ist Marijke?«
»Sie macht eine kurze Reise und wird bald wieder bei Ihnen sein.«
Amalia nickte, schloss die Augen und dämmerte wieder fort. Ihre Gedanken waberten wie Nebel, der ihren Kopf ausfüllte. Schließlich konnte sie einen fassen, schläfrig fragte sie: »Was für eine Reise macht sie denn?«
»Sie bringt die Komtess an einen sicheren und guten Ort.«
Wieder nickte Amalia. Etwas versuchte, zu ihrem Bewusstsein durchzudringen. Die Komtess, dachte sie, die Komtess an einen sicheren Ort. Jäh öffnete sie die Augen.
»Elena!«, rief sie angsterfüllt. »Was ist mit Elena?«
Der Mann legte seine Hand auf die ihre. »Der Komtess geht es gut. Sie ist in Sicherheit. Nachdem auch noch die Amme das Haus verlassen hatte, gab es keine andere Wahl. Wir haben das Kind zu den Klarissen nach Krumau gebracht, dort wird sie bleiben, bis Sie wieder gesund sind.«
Amalias Blick verschwamm erneut. Eine eisige Kälte machte sich in ihr breit. Elena war weg, weggebracht worden. Zaghaft versuchte sie einen letzten Ausweg. »Wann kommt sie zurück?«
Die Hand strich über ihr Haar. »Werden Sie gesund, Frau Gräfin, werden Sie zuerst einmal gesund.«
Amalia sackte zurück in ihr Kissen. Dies war das Ende. Sie hatte ihr Kind verspielt. Ja, sie hätte niemals ein Kind bekommen dürfen. Sie war eine schlechte Frau, mehr noch, eine schlechte Mutter. Erneut fiel sie in einen unruhigen Dämmerzustand.
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