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Die Graefin der Woelfe

Die Graefin der Woelfe

Titel: Die Graefin der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Falk
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spät. Dennoch kehrte er nicht um.
    In Schloss Torgelow erwartete ihn ein Trauerhaus. Ein Diener führte ihn in eines der Gemächer und brachte ihm ein ansehnliches Mahl sowie die Auskunft, dass die Fürstin ihn am folgenden Tag empfangen würde. Das sollte ihm nicht unrecht sein. Müde und staubig von der Reise genoss er die Wohltat, sich vor der Begegnung auszuruhen.
    Am nächsten Morgen stand er erfrischt auf und öffnete die schweren Vorhänge vor dem Fenster seiner Kammer. Das Schloss war etwa hundert Jahre alt und die Räume wirkten trutzig und schwer wie die Teppiche, die an den Wänden hingen. Der Staub fraß sich in das Gewebe, das längst einmal hätte gelüftet werden müssen.
    Fürst Alexejs Bestattung fand vormittags zu später Stunde statt. Außer Erasmus waren keinerlei Gäste anwesend. Auch der Graf und die Gräfin, die er anzutreffen befürchtet hatte, blieben der Beisetzung aus unerfindlichen Gründen fern. Seine Verwunderung darob hielt sich in Grenzen, bestätigte das Fernbleiben des Paares ihn doch in der Annahme, dass es zwischen dem gräflichen Paar und der Fürstin nicht zum Besten stand.
    Nach einem ausgiebigen Mahl ließ er anfragen, ob die Fürstin ihn nun zu empfangen gedächte. Allein, die Dame des Hauses vertröstete ihn auf den Nachmittag.
    Graue Wolken hingen am Himmel, die Sonne schien für diesen Tag nicht herauskommen zu wollen. Erasmus erging sich im Schlossgarten. Er schritt beherzt aus, um seinen Ärger und die Ungeduld im Zaum zu halten. Seine Hoffnung auf Antworten wurde immer geringer. Er hatte versucht, einige Bedienstete auszufragen. Bei allen, die er erreichte, legte sich beim Namen der Gräfin ein grauer Schleier über die Gesichter und es schien, als würde sich ihr Mund dauerhaft verschließen. Es war seltsam, doch er gab die Hoffnung nicht auf. Letztlich hatte die Bäuerin aus Zwinzau recht. Für alles gab es eine Ursache, auch dann, wenn sie sich auf den ersten Blick nicht zu erkennen gab.
    Plötzlich fletschte sich ihm ein riesenhaftes Maul mit übergroßen Zähnen entgegen.
    Erasmus presste die Hände auf den Mund und sprang einen Satz rückwärts, blieb zitternd stehen, in atemloser Erwartung, dass ihm das Untier, das zu dem Maul gehörte, jederzeit an die Kehle springen würde. Es dauerte einige Zeit, ehe er begriff, dass die Bestie angekettet war. Sie brüllte und zog an ihrer Kette, der Geifer spritzte, und beschmutzte den frischen Talar, den er eigens für seinen Besuch angelegt hatte.
    Er hatte schon einiges gesehen, doch so ein Vieh war ihm niemals untergekommen. Nicht zu erkennen, ob es sich um einen Wolf oder einen Hund handelte, der an dem Eisen zerrte. Erasmus fand sich allerdings nicht in der Stimmung, sich darüber Gedanken zu machen.
    Vorsichtig schlich er rückwärts. Nachdem er fast zehn Fuß zwischen sich und das Untier gebracht hatte, rannte er zurück zum Schloss und blieb wenige Schritte vor dem Haupteingang atemlos stehen. Sein Herz pochte bis in die Schläfen, hämmerte ihm ein, dass das, was er gesehen hatte, ein ähnliches Untier gewesen sein musste wie jenes, das der Gräfin in Zwinzau gehörte und das die schreckliche Missgeburt ausgelöst hatte.
    Voll Ungemach blickte er zurück. Das Bellen hatte aufgehört, anstelle dessen breitete sich eine beängstigende Stille aus. Was für ein seltsamer, gottloser Platz. Keine einzige weitere Nacht würde er an diesem Ort verbringen. Er zitterte noch immer, zählte langsam auf Latein – ūnus, duo, trēs, quattuor. Erst als er bereits bei quadrāgintā angekommen war, ließ das Zittern nach und sein Atem ging wieder ruhiger. Mit so viel Würde, wie es unter den Umständen möglich war, begab er sich zurück ins Schloss und sprach den nächstbesten Lakaien an.
    »Bitte melden Sie mich der Fürstin, ich wünsche, sie umgehend aufzusuchen, weil ich mich in dringenden Angelegenheiten so rasch wie möglich auf die Reise machen muss.« Um seinem Wunsch Nachdruck zu verleihen, setzte er sich auf einen Stuhl, der unweit von Walpurgas Gemach stand.
    Es dauerte dennoch eine ganze Weile, ehe der Lakai mit finsterer Miene auf die Tür wies. Erasmus erhob sich, richtete seinen Kragen und trat in die düstere Kammer, vollgestopft mit teuren Möbeln. Vor dem verhangenen Fenster erkannte er ein Spinett, daneben die Fürstin in einem Armsessel. Alles wirkte alt, verbraucht und schmutzig.
    Er war in vielen hohen Häusern zu Gast gewesen, und wegen seines Berufes hatte er auch so manches Zimmer einer Dame betreten,

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