Die Graefin der Woelfe
mehr. Aufgekratzt ritt er seiner Jagdgesellschaft voraus durch das Unterholz.
Ihm am nächsten trabten einige junge Recken, unter ihnen Fürst Eugen von Torgelow, Amalias Neffe und der letzte Träger des Namens.
»Wer als Erster an der Weggabelung ist«, rief Fürst Eugen den jungen Männern zu und wies mit der behandschuhten Hand auf eine Stelle, die ungefähr tausend Fuß vor ihnen lag.
Einen Atemzug später gab er seinem Pferd die Sporen. Die anderen vier folgten dem Übermütigen und auch Wenzel setzte mit seinem Rappen, der neben dem schwarzbraunen Kartäuser des Fürsten das edelste Tier war, tollkühn hinterher.
Bald hatte er die Heißsporne hinter sich gelassen. Einzig Eugen ritt noch vor ihm, stracks auf die Gabelung zu. Noch einmal erhöhte Wenzel das Tempo. Am Ziel kam sein Pferd kaum einen Fußbreit hinter dem Fürsten zum Stehen. Schwer atmend klopfte er den schweißnassen Hals des Tieres.
»Nicht schlecht, Oheim, wäre die Strecke nur um Weniges länger gewesen, hättet ihr mich geschlagen.«
Wenzel lachte geschmeichelt. »Ihr hattet auch einen Vorsprung. Lassen wir die Pferde ein wenig ruhen. Dann gebt mir Revanche.«
»Abgemacht.«
Sie reichten sich die Hände, während die restlichen vier aufschlossen und nicht mit Lob sparten. Einer von ihnen machte sich daran, Wetten entgegenzunehmen.
»Nun, was ist die Siegerprämie?«
Wenzel dachte einen Augenblick nach, dann kam ihm die Idee. »Dem Gewinner wird die Ehre zuteil, heute Abend den Braten zu tranchieren.«
Lautes Johlen zeigte das Einverständnis der Männer. So trabten sie eine Weile gemächlich nebeneinander her.
Endlich hatten sich die Pferde erholt und Wenzel fand eine geeignete Strecke für den Wettkampf. Start und Ziel wurden markiert. Das Rennen sollte durch das lichte Unterholz auf eine breite Schneise führen. Hier würde es bis zur Ziellinie, die durch einen quer gelegten Ast markiert war, noch etwa achthundert Fuß weitergehen.
Wenzel und Eugen gaben sich die Hand, nahmen Aufstellung und stoben los, sobald der Adjutant das Zeichen gegeben hatte. Lange Zeit lagen sie gleichauf, nahmen die flachen Hindernisse mit gleicher Bravour und ritten solcherart nebeneinander her, dass man es fast hätte einträchtig nennen können, wäre nicht das hohe Tempo gewesen. Endlich zwang eine Engstelle den jungen Torgelow, sich nach hinten fallen zu lassen. Wenzel nutzte die Gelegenheit und gab seinem Pferd noch einmal kräftig die Sporen. Und wirklich, der Rappe preschte als Erster durch das Unterholz auf die Zielgerade.
Schon fühlte er sich als Sieger, da hämmerte das gleichmäßige Stakkato der Hufe des Kartäusers immer lauter und schneller in seinem Rücken. Im nächsten Moment war der Fürst auch schon an ihm vorbei. Wäre der Hufschlag nicht so deutlich zu hören gewesen, hätte Wenzel geglaubt, das Pferd berührte den Boden nicht.
Mit einem einzigen lang gezogenen Sprung setzte der Kartäuser über den quer liegenden Ast, verfiel augenblicklich vom fliehenden Galopp in einen sanften Trab, tänzelte noch ein paar Schritte, ehe er mit hocherhobenem Haupte zum Zielpunkt zurückstolzierte, als wüsste er um seinen überwältigenden Sieg.
Wenzel erkannte seine Niederlage, mit Maß zog er sein feuriges Ross am Zügel. Der Rappe sträubte sich, erhöhte das Tempo eher noch, als wäre er noch immer von unverbrüchlichem Siegeswillen erfüllt. Noch einmal zügelte Wenzel das Tier, diesmal gehorchte es. Mit bebenden Flanken blieb es geradewegs an der Ziellinie stehen. Und während das Pferd heftig schnaubend den Kopf auf und ab bewegte, gratulierte er dem jungen Torgelow zu seinem Sieg.
Die hinzugekommenen Zuschauer johlten und klatschten. Ihr Lob galt dem Sieger ebenso wie dem würdigen Zweiten. Sie scherzten und lachten, und endlich hörten sie die Meute und die Treiber. Fröhlichen Mutes saßen sie auf, ließen ihre Pferde weit ausgreifen, sodass sie im Nu auf der Fährte waren.
Wenzel fiel nach wenigen Schritten zurück. Er spürte nun doch die Anstrengung. Sollte die Jugend ihren Tribut bekommen, er würde es langsamer angehen lassen. Einmal mehr klopfte er den Hals des treuen Pferdes.
»Lassen wir die jungen Recken ziehen und sparen unsere Kräfte, bis wir die Hirsche riechen können.«
Das Tier schnaubte und hob seinen prächtigen Kopf. Gemächlich trabten sie ins Unterholz. Wenzel musste sich tief unter den nassen Zweigen der Bäume bücken. Hier war der Wald besonders still, das dichte Laubbett dämpfte jedes Geräusch. Ein
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