Die Graefin der Woelfe
drohender gesprochen.
Der junge Torgelow nickte. »Wir werden sehen«, flüsterte er, mehr war nicht mehr zu verstehen. Fragen prasselten auf Erasmus ein, und unversehens fand er sich wieder von allen Seiten umringt.
»Was glauben Sie, Doktor, um was es sich dabei gehandelt hat?«, wollte eine Dame wissen, die sich kokett hinter ihrem Fächer versteckte.
»Werte Dame, ich weiß es nicht wirklich, dafür war das, was ich gesehen habe, zu undeutlich. Ich könnte allenfalls Vermutungen anstellen.«
»Dann vermuten Sie, Doktor.«
»Ja, vermuten Sie.«
Mit geschlossenen Augen versuchte er, die Situation heraufzubeschwören. War da nicht ein silberner Schweif gewesen? Je mehr er darüber nachdachte, umso deutlicher sah er ihn vor sich. Ja, wenn er es sich genau überlegte, gab es keinen Zweifel. Fest blickte er in das Gesicht der Fragerin.
»Mir war, gnädige Frau, mir war, als hätte ich einen Wolf gesehen.«
Schweigen folgte auf seine Worte. Ein Schweigen, das den Erzähler adelte. Langsam stand er auf. Sein Blick maß noch einmal den jungen Fürsten. Er setzte ein Lächeln auf. »Ich glaube, Fürst, es wäre im Sinne Ihres Oheims, wenn Sie nun zu Tisch bitten würden.« Hocherhobenen Hauptes schritt er zu seinem Platz. Der lag wieder am unteren Ende der Tafel, aber diesmal störte es ihn nicht.
*
Margeth erkannte die Kutsche, die vor ihrem Haus wartete, schon von Weitem und sie hatte augenblicklich ein ungutes Gefühl. Gerüchte von einem Unfall hatte sie gehört. Eine der Mägde vom Schloss hatte die Schwangere besucht, bei der Margeth gerade ihrer Arbeit nachgegangen war, und erzählte, wie Doktor von Spießen gesehen hatte, dass der Graf von einem silberfarbenen Wolf aus dem Sattel gerissen wurde. Margeth hatte ihr Herz vor dem dummen Gerede verschlossen, hatte noch einmal nach der Schwangeren geschaut und sich dann hundemüde auf den Heimweg gemacht, froh, sich bald auf ihrem Strohsack ausstrecken zu können. Jetzt erblickte sie den Einspänner, auf dessen Kutschbock Jelko den Schlaf des Gerechten schlief.
»He, du Schlafmütze, wartest du auf mich?«
Jelko rieb sich die Augen. »Jungfer Margeth, gut, Euch zu sehen. Wir müssen uns beeilen, es geht um die Gräfin.«
Ohne zu zögern, sprang sie auf den Bock und ergriff, ehe Jelko noch den Schlaf aus seinen Augen wischen konnte, die Zügel. »Du kannst mir alles in Ruhe auf der Fahrt erzählen, lass uns keine unnötige Zeit verlieren«, erklärte sie, während sie das Pferd antrieb. »Was ist geschehen? Hat sie Blutungen?«
»Nein, das ist es nicht. Sie hat keine Blutungen. Sie kann nicht, also ich weiß ja auch nicht …«
»Herrgott Mann, jetzt rede schon.«
»Also, ich glaube, sie hat keine Milch. Sie haben Lucia gerufen, aber die schenkt schon seit Wochen nicht mehr, und dann haben sie mich zu Euch geschickt.«
»Hast du die Gräfin gesehen?«
»Nein.«
»Gut. Oder besser schlecht. Jetzt muss ich zuerst wissen, und ein Ja oder Nein reicht mir, stimmt das mit dem Grafen?«
Jelko nickte stumm.
Margeth dachte nach. Es war nicht ungewöhnlich, dass ein Schock, Kummer oder Schmerz die Milch einer Wöchnerin zum Versiegen brachte. Manchmal kam sie wieder, manchmal auch nicht. Sanft zog sie an den Zügeln und wendete behutsam die Kutsche. »Wir fahren zu Gawrils Hof. Seine Schwiegertochter hat vor ein paar Tagen ein Kind bekommen. Sie hatte immer viel Milch, es wird auch diesmal genug sein für zwei.«
Entschlossen klopfte sie an die Tür des geräumigen Bauernhauses. Gafur, Gawrils Sohn, öffnete augenblicklich. Aus dem Innern der Stube klangen die Stimmen verschiedener Männer. Sie grölten, es schien, als würde viel getrunken.
»Was führt dich zu so später Stunde noch zu uns, Jungfer? Mein Weib schläft, weißt doch besser als ich, dass die letzte Geburt sie sehr mitgenommen hat.«
»Ich würde sicher nicht so spät hier sein, wenn es keinen Grund gäbe. Außerdem scheint es hoch herzugehen bei dir, da kann ich mir kaum vorstellen, dass Bogumilla schlafen kann.«
»Was willst du damit sagen?« Der Bauer stemmte drohend die Arme in die Seiten.
»Lassen wir das. Ich muss mit deiner Frau sprechen. Es ist sehr wichtig und es ist eine Frauensache.«
»Wenn du Milch brauchst für das vaterlose Balg, dann bist du bei uns an der falschen Adresse. Versuchs doch bei den Wölfen«, höhnte er.
»Woher wisst ihr?«, Margeth versuchte zu erkennen, wer sich alles in der Stube aufhielt.
»Das Balg schreit die ganze Gesindekammer zusammen und
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