Die Graefin der Woelfe
gleiche Antwort.
Schließlich machten sie sich auf den weiten Weg zur Köhlerei. Die jüngste Tochter, fast selbst noch ein Kind, war vor wenigen Tagen niedergekommen. Das junge Mädchen, das den Vater seines Kindes nicht kannte oder nicht nennen wollte, hatte eine mühselige Geburt gehabt und Margeth hätte ihr gern die Beschwernis eines Umzugs nach Falkenfried erspart.
Die Sonne stand schon sehr tief, als die armselige Hütte in Sicht kam. Bleiern waberte der Qualm zwischen den Meilern und der Unterkunft der Köhlerfamilie. Ruß legte sich auf alles, was in der Nähe war. Auf dem Hof spielten die Kindeskinder von Matthis und Anne. Wie immer hatten die Männer alle Hände voll zu tun und überließen es den Frauen, die Ankommenden zu begrüßen. Anne eilte mit verquollenem Gesicht auf die Kutsche zu, wischte sich die Hände an einer schmutzigen Schürze ab.
»Ich danke dir, dass du gekommen bist. Aber es ist zu spät. Sie ist heute Morgen gestorben. Der Kleine schreit jämmerlich. Jelena hat nicht genug Milch für ihr eigenes und jetzt auch noch für das von Ljubica.«
Margeth erstarrte. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, für einen Moment hielt sie sich an Anne fest.
Auch dieser Weg war also vergebens gewesen. Margeth ließ sich in die enge Hütte führen, setzte sich auf einen Holzschemel und blickte in die apathischen Gesichter der Frauen. Ljubica lag noch auf ihrem Strohsack im Nebenzimmer, so, wie der Priester sie verlassen hatte. Am folgenden Tag würde sie beerdigt werden. Margeth trank einen Schluck von dem angebotenen klaren Brunnenwasser und ließ einen Beutel mit Heilkräutern auf dem Tisch.
Beschämt ging sie ihres Weges. Hier war keine Hilfe zu finden, nicht für Elena und auch nicht für die Menschen, die hier lebten.
*
Die Tage vergingen und Amalia konnte sich kaum von Wenzels Krankenlager lösen. Immer wieder musste sie Gäste verabschieden, merkte, dass ihr Haus sich leerte, doch es interessierte sie nicht. Einzig Fürst Eugen, von Hildebrandt und Erasmus waren noch geblieben. Sie baten sie immer wieder, endlich zu schlafen. Ein Luxus, den sich Amalia nicht leisten wollte, konnte doch ihr Gatte jederzeit aufwachen.
Wieder und wieder brachte man ihr das Kind, das sie an die Brust legte und nach wenigen Augenblicken wieder weggenommen bekam. Sie war vertrocknet, hatte keine Milch mehr.
Irgendwann gelang es dem jungen Fürsten, sie zu überreden, sich hinzulegen.
Amalia drückte ihrem Gemahl noch einmal die schlaffe Hand und ging in ihre Gemächer. Sie hatte kaum den Kopf auf ihr Kissen gebettet, als ein traumloser Schlaf sie sanft umhüllte. Ein Glück, das nicht lange andauerte.
Kaum war sie in wohliger Finsternis angekommen, als der Albtraum ihrer Jugend mit Macht zurückkehrte. Amalia erblickte blutbesudelte Füße, deren Wunden sie ein ums andere Mal küssen sollte. Das Pferd ihres Mannes ritt durch ihren Traum, es trug einen Reiter, gekleidet mit schwarzem Umhang und weißem Hemd. Amalia sah den Schnitter auf Schloss Falkenfried zueilen. Sie wachte schreiend auf.
Mit erschreckender Klarheit wusste sie, wo sie sich befand und was geschehen würde. Sie eilte zu ihm, nur ein Cape über ihr Untergewand geworfen. Und richtig, Wenzel hatte die Augen geöffnet. Sein flackernder Blick suchte sie. Amalia kniete an seinem Bett nieder.
»Wenzel, mein Liebster. Ich bin da. Drück meine Hand.« Ihre Stimme war fest und sanft zugleich. Sein Blick wurde ruhiger, ihre Augen fanden sich. Für einen Wimpernschlag, für einen einzigen Atemzug, sah er sie an. Amalia verlor sich in seinen Augen, versank in seinem Lächeln.
Sie hielten sich fest im Angesicht der Ewigkeit. Erst, als sie wieder atmete, brach sein Blick. Graf Wenzel war tot.
Amalia behielt die Hand in ihrer, Atemzug um Atemzug. Sie bewegte sich nicht, schloss nicht die geliebten Augen, hielt die Zeit an. Behutsam legte sich eine Hand auf ihre Schulter. Von Hildebrandt, der neben seinem Freund geschlafen hatte, war erwacht. Mit sanftem Druck brachte er sie dazu, aufzustehen. Er schob sie in Marijkes Arme.
Widerstandslos ließ sich Amalia in ihre Kammer führen. Dort angekommen nickte sie der treuen Zofe ruhig zu und schloss die Tür vor ihren Augen. Noch immer aufrecht setzte sie sich nieder. Sie schloss die Augen. Die Finsternis wartete wie eine Verheißung auf sie. Mit bewusstem Sinn ließ sie sich sinken, hinein in tiefe, warme Düsternis. Glitt hinüber zu dem Ort, an dem sie nichts mehr spürte. Noch am gleichen Abend gab
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