Die Graefin der Woelfe
nicht. Man schob sie aus der Kammer, weg von Wenzel. Eine der Frauen hielt ihr einen Becher entgegen. Amalia fasste ihn und blickte die Frau an. Sie sollte trinken. Also trank sie.
Der Wein rann ihr voll und warm die Kehle hinunter. Er war dunkel und schwer, mit Nelken und Zimt gewürzt, gerade so, wie sie ihn mit Wenzel an kalten Tagen zu trinken pflegte. Wenzel! Sein Name holte den Schmerz zurück, krümmte ihren Leib, verschnürte ihren Hals.
»Ich muss zu ihm«, rief sie und wollte zurück in seine Kammer eilen. Zwei Hände hielten sie zurück.
»Bleiben Sie, Prinzessin. Bleiben Sie einen Augenblick hier bei uns.« Das war Marijke, die liebe gute Marijke.
»Gut.« Sie seufzte. Jetzt erkannte sie auch die andere Person. Es war Margeth. Was machte Margeth hier?
»Sagt mir, was wollt ihr von mir? Wenzel ist krank, ich muss zu ihm. Margeth, was tust du hier?«
»Ich habe sie kommen lassen, Gräfin. Es ist wegen der Komtess.« Marijkes Stimme klang unsicher, hilflos zeigte sie auf die Hebamme.
Die setzte sich auf ihrem Stuhl weit nach vorn. Ihre Hände bewegten sich auf Amalia zu, wenige Handbreit vor der Berührung zögerte sie und faltete sie in ihrem Schoß.
»Ich bin hier, um zu helfen, Frau Gräfin. Wie man mir berichtet hat, gab es heute Abend Schwierigkeiten mit dem Schenken.«
In Amalias Kopf war ein dumpfes Summen, sie schüttelte den Kopf, verstand nicht.
Margeths ruhige Stimme fuhr fort. »Die Muttermilch, man sagte mir, Ihre Milch sei versiegt.«
Was sagte sie? Was bedeuteten die Worte? Langsam tropften sie in ihr Bewusstsein, ihre Milch war versiegt. »Aber – warum?«
»Ich weiß es nicht. Ich muss es mir ansehen.«
Schweigend schnürte Marijke ihr das Mieder auf und Margeth betrachtete die Brüste. Sie wog sie in den Händen, drückte und kniff. Amalia spürte nichts, keinen Schmerz, obwohl sie sah, wie rot und entzündet die Brustwarzen waren.
»Wir müssen eine Amme finden«, befand Margeth, während Marijke ihre Kleider wieder richtete.
Amalia stand auf, ging wenige Schritte in der Kammer umher, beobachtete, wie sich Margeth mit einer tiefen Verbeugung verabschiedete. War dies die Strafe Gottes? Die Strafe dafür, dass sie ihr Schicksal nicht angenommen hatte? Ihre Lippen formten Worte. Sätze verließen ihren Mund, füllten den Raum, bestimmt für Marijke, aber mehr noch für sich selbst.
»Erinnerst du dich, Marijke, meine Mutter hat niemals gegen ihr Schicksal aufbegehrt. Sie hat alle Prüfungen des Herrn klaglos entgegengenommen.« Ihre Augen brannten, nahmen nicht wahr, worauf sie gerichtet waren. »Ihre schwerste Prüfung war ich. Letztlich habe ich ihr Maß an Unglück vollgemacht. Ich habe immer gegen die Rolle, die ich im Leben hätte spielen sollen, aufbegehrt. Nun muss ich den Preis zahlen. Mein Mann kämpft mit dem Tode und für mein Kind habe ich keine Milch.« Während ihre Augen starr und trocken blieben, liefen Marijke die Tränen die Wangen hinunter.
»Prinzessin, sagen Sie so etwas nicht. Sagen Sie es nicht.« Marijke rang flehend die Hände.
Amalia sprach weiter. »Ich habe es gewusst, von Anfang an. Vom ersten Tag an, immer habe ich es gewusst.«
»Schluss!«, donnerte die Zofe.
Amalia hielt erschreckt inne.
»Schluss jetzt, Prinzessin! Lassen Sie uns nach dem Grafen schauen.« Marijke zitterte am ganzen Körper, doch Amalia fasste sich, straffte die Schultern und betrat erneut die Kammer ihres Gatten.
*
Am nächsten Morgen war Margeth, die im Schloss übernachtet hatte, als Erstes zu Lucia gelaufen, deren Milch jedoch noch immer nicht wieder eingeschossen war.
Also machte sie sich mit Jelko auf den Weg ins Dorf. Es gab viele Wöchnerinnen, die als Amme für Elena infrage kommen konnten.
Zunächst versuchten sie ihr Glück bei Libuses ältester Tochter, die gerade ihr erstes Kind, einen gesunden Jungen, zur Welt gebracht hatte.
Thomasz machte die Tür auf, als Margeth klopfte. »Du wagst dich, auch hier nach einer Amme für die Wolfsbrut zu suchen?« Der Schuster hatte die Geburt seines ersten männlichen Nachfahren gebührend gefeiert. »Scher dich davon und richte der Hexe da oben aus, sie soll genau hinschauen, wie ihr Kind verhungert.«
Margeth verzichtete auf eine Antwort. Thomasz war alt geworden, der Branntwein hatte sein Gesicht verzerrt und seinen Körper aufgeschwemmt. Es war ein Wunder, dass er noch lebte.
Sie fuhren weiter, hatten sie doch viele Anlaufpunkte. Aber an welche Tür auch immer sie klopften, überall bekamen sie die
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