Die Graefin der Woelfe
sie den Befehl, alle Spiegel im Schloss zuhängen zu lassen und den Spiegelsaal zu verschließen. Der Tod hatte ihr das geliebte Antlitz genommen. Sie wollte das ihre nie wieder sehen. Still saß sie auf ihrem Stuhl, den Blick auf die Hände gerichtet, die nutzlos in ihrem Schoß lagen. Ihr Mann war tot, er hatte sie vor der Zeit allein gelassen.
Graf Wenzel Sigismund von Falkenstein wurde in allen Ehren in der Kirche von Falkenfried beigesetzt. Neben einer großen Delegation aus Wien war jeder Adelige aus dem Umkreis von drei Tagesritten zu dem Begräbnis geeilt. Auch die Einwohner des Dorfes erwiesen ihrem Grafen die letzte Ehre.
Amalia saß still und aufrecht auf ihrem Stuhl. In feinste Trauergewänder gekleidet nahm sie die Beileidsbekundungen mit gefasster Miene entgegen. Wie durch einen Schleier dichten Nebels beobachtete sie, wie sich die schwere Marmorplatte auf das Grab senkte. Amalia legte einen Strauß Lilien darauf. Wenzel ruhte im Kreise seiner Familie. Er war die sechste Generation derer von Falkenstein, mit ihm erlosch der Name. Nur noch einmal würde die Gruft geöffnet werden, dann, wenn sich ihr eigener Sarg hinuntersenken würde. Es war ein tröstlicher Gedanke, im Tode wieder mit ihm vereint zu sein. Ihre Hände berührten den Stein. Der Marmor war kühl, ihre Fingerspitzen begannen zu kribbeln. Ihr Mann war tot, sie würde die Nächste sein, die ihm folgte, doch sie waren nicht allein. Sie hatten ein Kind, seine Tochter. Amalia fröstelte. Wie konnte sie das vergessen. Sie hatte kein Recht, sich in die tröstliche Finsternis zu flüchten, durfte nicht nachgeben. Sie hatte kein Recht, jetzt schon zu sterben. Amalia straffte die Schultern, erhob sich, sammelte Kraft und wandte sich zum Ausgang. Sie musste ihre Tochter ins Leben führen, erst dann durfte sie ihm folgen. Erst dann durfte sie dem Ruf der Finsternis nachgeben. Entschlossen und aufrecht trat sie ins Freie, ihr Blick suchte nach Elena.
*
Jakobus hatte sich für die Beisetzung eigens von seinem Krankenlager erhoben, auf das er am Tage nach Wenzels Unfall gesunken war. Jetzt beobachtete er die Gräfin, wie sie in die matte Herbstsonne trat. Sie stand aufrecht, blickte suchend um sich, bis sie ihre Tochter erfasste.
Kaum wurde sie ihrer ansichtig, eilte sie auf sie zu. Sie nahm sie zärtlich aus dem Arm der Kinderfrau, küsste und herzte sie. Zum ersten Mal seit jenem tragischen Unfall war ihr Blick wieder fest und ihre Bewegungen gezielt. Jakobus registrierte es mit Freude, doch dann drang dumpfes Geraune an seine Ohren.
Eine Frauenstimme ätzte: »Seht her, wie sie das Wolfskind herzt.«
Eine andere fügte nicht weniger hämisch hinzu: »Die traut sich was. Der Mann ist noch nicht richtig unter der Erde und schon geht es weiter.«
»Jetzt hat sie ja alles, was sie immer wollte.« Die Stimmen waren laut, viel zu laut.
Amalias Kopf schnellte in die Richtung, aus der sie kamen, ihr Gesicht verzog sich.
Mit wenigen Schritten war Jakobus bei den Schwätzern. »Verschwindet hier, ihr Nattern. Lasst sie in Ruhe!« Er versuchte zu schreien, doch ein Hustenanfall erschütterte ihn, ließ seine Stimme krächzend und undeutlich werden.
»Was willst du von uns, alter Mann?«
»Was kümmerst du dich um das Weib, hast wohl selbst …« Der Rufer wurde unterbrochen.
»Lass gut sein. Der Alte kann ja auch nichts dafür. Er ist genauso verhext von ihr, wie es der Graf war.« Während die Frau sprach, schlug sie das Kreuzzeichen vor ihrer Brust.
Jakobus wollte etwas entgegnen, doch seine Stimme versagte. Hilfe suchend blickte er um sich. Lucia unterhielt sich mit einer der Mägde und Jelko war auf dem Weg zum Stall. Amalia war nirgends mehr zu sehen. Er hoffte, dass Marijke sie aus der Menge geführt hatte. Mit Mühe füllte er seine Lungen.
»Wie geht es Euch, Stallmeister? Ich denke, Ihr braucht wieder einmal meine Kräuter. Oder soll ich den Doktor rufen mit seinem Messer und seinen Klistieren?« Margeths Stimme legte sich wie Balsam auf seine Seele.
Er schenkte ihr ein warmes Lächeln. »Geleitet mich in meine Hütte, Jungfer Margeth, und schenkt mir die Ehre, ein Glas Branntwein mit mir zu trinken.«
Auch Andres und Betsy waren hinzugetreten. Die Bauersfrau überreichte ihm einen großen Krug Bier. Gemeinsam ließen sie sich in seiner kleinen Hütte nieder.
»Wann werden sie sie endlich in Ruhe lassen?« Margeth seufzte.
»Das Gerede ist schlimmer als es je war.« Andres zeigte mit unbestimmter Geste Richtung Dorf und
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