Die Graefin der Woelfe
Betsy nickte.
»Das mit dem Kind tut mir wirklich leid. Glaub mir, Margeth, ich würde der kleinen Komtess als Amme dienen, wenn ich könnte. Aber ich habe in den letzten Jahren kein Kind mehr bekommen und ich bin auch nicht unglücklich darüber. Trotzdem, es ist doch unheimlich. Als sie jung war, hat sie kein Kind bekommen, und jetzt? Ob da alles mit rechten Dingen zugegangen ist?«
Margeth schüttelte den Kopf. »Sie hatte Pech und Glück und nun hat sie wieder Pech. Mehr ist es nicht.«
Keiner antwortete, zu viert saßen sie in der Stube und schwiegen. Einzig Jakobus’ Husten und das Rasseln seines Atems füllten die Stille. Ehe es dunkel wurde, machten sich Betsy und Andres auf den Heimweg.
Kaum allein, musterte Margeth ihn mit fachkundigem Blick. »Euer Husten ist schlimmer geworden. Ich werde Euch einen Tee brauen und in den nächsten Tagen öfter vorbeischauen.«
Jakobus verdrehte die Augen, aber er konnte seine Dankbarkeit nicht verhehlen. »Jungfer Margeth, Sie sollen nicht wegen eines alten Mannes einen solch weiten Weg auf sich nehmen. Zumal bei dem Wetter, es wird bald schneien.«
»Macht Euch darüber keine Sorgen, nicht nur Ihr braucht mich hier oben. Ich suche eine Amme für Elena.« Sie seufzte. »Es ist furchtbar.«
Jakobus erschrak, soweit er wusste, hatte die Prinzessin selbst geschenkt.
Margeth antwortete auf seine unausgesprochene Frage. »Der Kummer und der Schreck haben ihre Milch versiegen lassen.«
»Es wird wohl genügend Mütter geben, die als Amme taugen. Schließlich wird die Gräfin nicht mit Münzen sparen.«
»Es gibt keine, im ganzen Dorf nicht. Kaum, dass die Frauen mit mir sprechen dürfen. Überall fangen mich die Männer ab. Sie sagen, Elena sei ein Wolfskind. Sie sagen, die Gräfin sei schuld am Tod des Grafen. Sie sagen all das und lassen ihre Frauen nicht aus dem Haus.«
»Sie sagen was?« Er sog scharf die Luft ein, was er sofort bereute. Ein Hustenanfall erschütterte ihn und ließ ihn eine Weile nicht los. Nachdem er endlich wieder bei Stimme war, fragte er nach den Familien, die er kannte. Weiber, von denen er wusste, dass sie jedes Jahr ein Kind bekamen.
Margeth schüttelte bei jedem Namen den Kopf.
Was musste sie noch alles erleiden? Jakobus starrte in den dunkler werdenden Himmel. Sein Entschluss war schnell gefasst. Fest blickte er Margeth in die Augen. »Gehen Sie in die Küche und besorgen Sie mir eine kräftige Hühnerbrühe. Außerdem brauche ich einen Sud von Euren bittersten Kräutern.«
»Was habt Ihr vor?«
»Ich werde ihr eine Amme bringen und wenn es das Letzte ist, das ich tue.«
»Der Herr steh’ Euch bei!« Margeth bekreuzigte sich, hielt ihn aber nicht auf.
Auch sie wusste, dass das die einzige Lösung war und Jakobus war sich sicher, dass sie ihn gefragt hätte, wenn er nicht so krank wäre.
*
Amalia hatte schlecht geschlafen. Ihre Gedanken kreisten um ihr Kind und die immer drängendere Frage, warum sie keine Amme fand. Mit erschreckender Klarheit erkannte sie, wie schlecht es um Elena stand. Das ehedem so propere und rosige Mädchen lag mit kränklich gelber Gesichtsfarbe apathisch in seiner Wiege, zu schwach, um zu weinen. Amalia lebte nur noch für ihre Tochter, schlief und aß an ihrer Wiege. Immer wieder legte sie das Kind an, aber weder ihre noch Lucias Milch schoss wieder ein.
Wenige Tage vor der vorweihnachtlichen Fastenzeit machte sie sich auf den Weg in den Gesindebereich. Sie wollte Krysta darüber ins Bild setzen, dass sie und Lucia – so, wie es für Stillende üblich war – von den strengen Fastenregeln ausgenommen werden sollten. Es war endlich an der Zeit, dass sie die Herrschaft im eigenen Haus übernahm.
Eine ihr eigene Scheu vor den Menschen hinderte sie, die Tür zur Küche, wo sie Krysta vermutete, einfach aufzustoßen. Während sie noch zögerte, näherten sich ihr zwei schwatzende Mägde. Unwillkürlich drückte sie sich in eine Nische.
»Mir ist das auch nicht geheuer, aber ich werde jetzt nicht gleich die Stelle aufkündigen. Ist ja immerhin ein guter Verdienst.«
»Du weißt doch, die war immer schon besonders ängstlich, hat sie von ihrer Mutter. Aber das mit …«
Mehr konnte Amalia nicht verstehen, denn die Mädchen waren in die Küche eingetreten und hatten die Tür geschlossen.
Dienstbotengeschwätz, dachte sie bei sich und betrat entschlossen den Raum. Rasch war ihr Anliegen geklärt und Krysta ergriff das Wort.
»Ich hoffe auf Vergebung, edle Frau, wenn ich Euch um etwas
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