Die Graefin der Woelfe
schrecklichen Zufall, dass es gerade dann geboren wurde, als die Gräfin in Zwinzau eingeritten war. Von dem Wolf, der das Schaf gerissen hatte und die Bauern solcherart verärgerte, dass sie mitten in der Nacht auf das Schloss hinaufgezogen waren. Letztlich auch die Geschichte der vorletzten Jagd, als Amalia dem Wolf das Leben gerettet hatte und wie unverständlich die Menschen dem gegenüberstanden.
Amalia hörte die Worte, spürte, wie sie von ihr Besitz ergriffen und schwieg. Einzig, als Margeth berichtete, wie Libuses Kind gestorben war, löste sich eine Träne aus ihren Augen.
Nachdem die Erzählung geendet hatte, legte sich Schweigen über den Raum. Amalias Herz klopfte und ihre Hände wurden feucht. Mit brüchiger Stimme fasste sie schließlich ihr Resümee. »Und nun soll also ein Wolf den Grafen getötet haben. Als Ausgleich für Elenas Geburt. Ist es das, was die Leute glauben?« Eine altbekannte Angst schnürte ihr die Kehle ab. Es war Quintus gewesen, der das Teuflische in ihr erweckt hatte. Sie sah es deutlich vor ihrem inneren Auge. Sie hatte die heiligen Sakramente entweiht und war dafür bestraft worden. Ihre Hand fuhr zu ihrem Hals, ihr wurde schwindlig. Sie hörte Marijkes Antwort nicht mehr, ihre Welt wurde schwarz.
*
Jakobus hatte sich bei der Suche nach einer Amme immer weiter vom Dorf entfernt. Schließlich erblickte er von fern die Zwiebeltürme der Kirche von Linz. Vor der Stadt befand sich ein übel beleumdetes Haus. Er kannte es aus Erzählungen, hatte es aber niemals nötig gehabt, solch eine Stätte aufzusuchen. Auch jetzt klopfte er nur aus einem einzigen Grund an die Tür. Hier hoffte er endlich zu finden, was er seit Tagen suchte.
Auf sein Klopfen hin öffnete eine Dame undefinierbaren Alters. Ihr Gesicht war über und über mit Bleiweiß gepudert und die Lippen und Wangen waren so rot angemalt, dass sie wie offene Wunden aussahen. Die Augen hatte die Frau tiefschwarz umrandet. Das Gesicht wirkte grotesk, wurde jedoch umrahmt von dem schönsten Haar, das er jemals im Leben gesehen hatte. Während er noch den Impuls verdrängte, nach den blonden Locken zu greifen und die Nase in den süßen Duft zu stecken, kreischte die Dame mit schriller Stimme: »Die gibt es nicht.« Dabei zeigte sie auf ihre Perücke, die unverkennbar aus echten blonden Haaren geknüpft war, und fuhr fort. »Aber wo die herkommen, gibt es noch mehr. Sind schon wieder ein gutes Stück nachgewachsen, der Herr. Und ich sag ihm, sie hat die Haare nicht nur auf dem Kopf so blond.«
Jakobus hob abwehrend die Hände. »So sehr ich sonst einer schönen Stunde nicht abgeneigt bin, so habe ich heute dafür leider keine Zeit und Gelegenheit.« Belustigt stellte er fest, wie sich das über und über geschminkte Gesicht grimmig verzog. Ehe die Tür wieder zugeschlagen werden würde, beeilte er sich, hinzuzufügen: »Ich habe Ihnen ein anderes Geschäft vorzuschlagen.«
»So, ein Geschäft, das ist gut, dann komme Er mal herein.« Das Antlitz erhellte sich wieder, die Dame hielt mit einer Hand den schweren roten Samtvorhang auf und zeigte mit dem Finger auf einen schmutzigen Fauteuil. »Man nennt mich Mutter Hedwig«, erklärte sie und setzte sich auf einen Schemel, sodass ihr gewaltiger Hintern zu beiden Seiten mehr als zur Hälfte darüber hing. Jakobus sah dem Schauspiel mit angehaltenem Atem zu, rechnete jeden Augenblick damit, dass der Schemel unter seiner Last zusammenbrach. Die Alte schien seinen Blick anders zu deuten. Sie zwinkerte ihm zu.
»Ich bin zwar schon lange nicht mehr im Geschäft, aber für dich kann ich gern eine Ausnahme machen, ich lass die Perücke auch an.«
Jakobus hustete statt einer Antwort. Noch ehe er wieder zu Atem kam, erscholl das entsetzliche Kreischen erneut.
»Das auch noch, da bringt der Kerl mir die Schwindsucht ins Haus. Komm mir nur nicht zu nah, und meinen Mädchen auch nicht.« Sie drehte sich um und rief in den hinteren Teil des Hauses. »Marie! Bring uns heißen Würzwein und sag den anderen, ich will unter keinen Umständen gestört werden. Ach ja, stell den Würzwein vor den Vorhang, ich hol ihn selbst. Wir haben die Schwindsucht im Haus.«
Jakobus schrak zusammen. Auch wenn er hin und wieder daran gedacht hatte, so hatte bisher niemand das Wort in seiner Gegenwart ausgesprochen. Allein, jetzt war nicht die Zeit, darüber nachzudenken.
»Nun«, er musste sich räuspern, nachdem er sich von dem Husten erholt hatte, »habt Ihr ein Mädchen bei Euch, das erst vor
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